Geschlechterpolitik
"Brauche nicht zu sagen, Nazis raus"
Vizekanzlerin Riess-Passer verteidigt in Standard-Interview die FPÖ
In erster Linie als Koordinatorin der Regierung sieht sich die Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer im Gespräch mit Katharina
Krawagna-Pfeifer, in dem sie die ÖVP auch verantwortlich für das hinterlassene "Desaster" der rot-schwarzen Regierung macht.
Deswegen gebe es nun Steuererhöhungen.
Standard: Wie wollen Sie angeredet werden? Frau Vizekanzler oder Vizekanzlerin?
Riess-Passer: Auf den Visitenkarten steht "Vizekanzlerin".
STANDARD: Wie definieren Sie Ihre Aufgabe?
Riess-Passer: Das ist zum einen gemeinsam mit dem Bundeskanzler die Koordination der Regierungsarbeit. Die Erfahrungen der
vergangenen Jahre haben gezeigt, dass eine Regierung nicht erfolgreich arbeiten kann, wenn die Kommunikation zwischen zwei
Regierungspartnern nicht stimmt. Wir werden daher das Pressefoyer nach dem Ministerrat gemeinsam machen.
STANDARD: Das heißt, Sie sind de facto Regierungssprecherin?
Riess-Passer: Der Bundeskanzler und ich koordinieren die Regierung.
STANDARD: Diese Regierung startet mit Vorzeichen, mit denen noch nie eine Regierung gestartet ist. Sie musste eine Präambel
unterschreiben, die wortwörtlich aus den Satzungen der in Wien ansässigen Stelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist.
Wussten Sie das, ehe Sie unterschrieben haben?
Riess-Passer: Es ist nicht so, dass wir zu der Unterschrift unter etwas gezwungen wurden, das nicht unserer Überzeugung entspricht. Für
mich war immer selbstverständlich, dass sich die FPÖ zu den Grundsätzen der Toleranz, der Meinungsfreiheit, der Demokratie, des
Miteinanders, der Menschenrechte und der Solidarität bekennt. Wenn da Zweifel, wie auch immer ungerechtfertigt sie sein mögen, geäußert
werden, dann finde ich es gut, es so zu dokumentieren.
STANDARD: Offenbar gibt es diese Zweifel in der breiten Öffentlichkeit, beim Präsidenten und im Ausland. Sind die alle
ungerechtfertigt?
Riess-Passer: Da muss man unterscheiden. Es gibt bei vielen Menschen Sorgen, die ganz unterschiedlichen Ursprungs sind, die man ernst
nehmen muss. Ich glaube aber, dass man der FPÖ nicht die Regierungsfähigkeit absprechen kann. Wir sind nicht irgendwelche Outlaws, die
da aus dem Nichts in eine Regierungsverantwortung kommen, sondern die FPÖ ist eine Partei, die in diesem Land auf vielen Ebenen schon
Verantwortung getragen hat.
STANDARD: Welcher der Aussprüche, angefangen von der ordentlichen Beschäftigungspolitik bis zu den Prinzhorn-Erklärungen in
den Stuttgarter Nachrichten oder die Erklärungen Haiders gegenüber Chirac und der belgischen Regierung oder jene im Wiener
Wahlkampf würden Sie als geeignet betrachten, um Anlass für Sorgen zu geben?
Riess-Passer: In den letzten Jahren ist ein bestimmtes Bild der FPÖ entstanden, das zum Teil auch bewusst propagiert wurde. Haider hat
sich für seine Aussagen entschuldigt. Es wird Leute geben, die diese Entschuldigungen nicht akzeptieren. Damit muss man leben. Aber es hat
keinen Sinn, die Entschuldigungen wie bei einer tibetanischen Gebetsmühle immer wieder zu wiederholen.
STANDARD: Haben Sie in der Phase, als diese Äußerungen über eine langen Zeitraum immer wieder gefallen sind, intern in der
Partei gesagt: "Bitte, lieber Dr. Haider, so geht das nicht"? Denn in der Öffentlichkeit hat man von Ihnen nie etwas gehört.
Riess-Passer: Das werden Sie auch jetzt nicht von mir hören. Was ich dem Dr. Haider unter vier Augen zu sagen habe, sage ich ihm auch
unter vier Augen.
STANDARD: Es gab 1983 bis 1986 schon einmal eine Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen. Der Parteiobmann hat damals
gesagt, Nazis raus aus der Partei. Würden Sie so etwas auch für die jetzige FPÖ formulieren?
Riess-Passer: Ich sage Ihnen aus tiefster Überzeugung, es gibt keine Nazis in der freiheitlichen Partei.
STANDARD: Sie als Vizekanzlerin sagen, "Nazis raus aus der Partei"?
Riess-Passer: Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, ich brauche nicht zu sagen "Nazis raus aus der FPÖ", denn es gibt keine.
STANDARD: Sowohl der Bundeskanzler als auch Sie haben gesagt, man müsse Schritte im Ausland setzen, um die Isolation
Österreichs zu beseitigen. Wohin werden Sie reisen, mit wem werden Sie reden?
Riess-Passer: Die Außenministerin hat mir gesagt, sie steht für alles bereit, was sie für sinnvoll und zweckmäßig hält.
STANDARD: Wäre es Ihrer Meinung nach zweckmäßig, wenn der Bundespräsident eine Good-Will-Tour innerhalb Europas startet?
Riess-Passer: Wenn er es aus Überzeugung tun würde, ja.
STANDARD: Was heißt das?
Riess-Passer: Dass es auch seine innere Überzeugung sein müsste.
STANDARD: Das heißt, Sie unterstellen ihm, dass er nicht alles tun würde, um Österreich zu verteidigen...
Riess-Passer: Unter Verteidigung Österreichs verstehe ich auch darzulegen, dass das jetzt eine legitime Regierung ist, hinter der er auch
steht. Er hat das jetzt gesagt, aber ich hätte es sehr hilfreich empfunden, wenn er es früher gesagt hätte.
STANDARD: Eines der großen Wahlversprechen seitens der FPÖ war, dass es mit ihrer Partei in der Regierung keine Steuern- und
Abgabenerhöhung geben wird. Jetzt kommt es doch dazu.
Riess-Passer: Wir waren wirklich der Überzeugung, es müsste ohne Steuererhöhungen gehen. Wir haben alles versucht, was möglich war,
um zu sparen. Das hat aber nicht gereicht. Das ist ein Desaster, das wir geerbt haben.
STANDARD: Ein Desaster, das Ihr Koalitionspartner mitverschuldet hat.
Riess-Passer: Das die letzte Regierung hinterlassen hat. An der war die ÖVP beteiligt. Das ist so.
STANDARD: Vizekanzler der Regierung war Schüssel.
Riess-Passer: Das ist eine Tatsachenfeststellung.
STANDARD: Sie werden parteiintern als Königskobra bezeichnet ...
Riess-Passer: Das ist aus einer Situation heraus entstanden, als ich eine relativ harte Maßnahme treffen musste. So etwas stößt nicht auf
Gegenliebe. Damit muss man leben.
STANDARD: Gibt es irgendeinen netten Spitznamen, den Sie in der FPÖ haben?
Riess-Passer: . . .