An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen: In der Zeit im Bild vom 15. Mai spricht Haider von einem Österreicher (und meint damit Gusenbauer), den ein Foto "Champagner trinkend mit den Feinden Österreichs" zeige. Und er ortet in solchem und ähnlichem Tun einen Tatbestand knapp "unterhalb des Deliktes des Hochverrats".

Im Mittelpunkt der "Studien zum autoritären Charakter" von Horkheimer/Adorno stand "das potentiell faschistische Individuum, ein Individuum, dessen Struktur es besonders empfänglich für anti-demokratische Propaganda macht." Und eine F-Skala (sic!) wurde darin entwickelt als ein Instrument zur indirekten Messung antidemokratischer Tendenzen.

Laut dieser Skala werden von potenziell faschistischen Individuen Sätze wie die folgenden heftig bejaht: "Weder Schwäche noch Schwierigkeiten können uns zurückhalten, wenn wir genug Willenskraft haben." "Was die Jugend am meisten braucht, ist strikte Disziplin, harte Entschlossenheit und den Willen, für Familie und Vaterland zu arbeiten und zu kämpfen." "Wer unsere Ehre beleidigt, muss auf jeden Fall bestraft werden." Es lohnt sich, denke ich, die F-Skala wieder einmal genauer zu betrachten. Auch den verstorbenen österreichischen Psychiater Friedrich Hacker sollte man vermutlich neu lesen. In seinem Buch "Aggression" (1971) schreibt er: "Der Gegensatz zu Komplexität ist aggressive Vereinfachung, nicht schlechthin Einfachheit. Der Preis für Vereinfachung ist Gewalt."

Westenthaler ist ein Meister der aggressiven Vereinfachung, die Androhung von (staatlicher) Gewalt überlässt er aber seinem Ex-Chef: Ausgerechnet genau 45 Jahre nach dem Figl-Ruf "Österreich ist frei!" verlangt Haider strafrechtliche Sanktionen gegen Politiker, "bis hinauf zum Bundespräsidenten", wenn sie "gegen die Interessen des Staates verstoßen". "Verstöße gegen das Treuegelöbnis auf die Republik" sollen mit Funktionsverlust bestraft werden.

Die Republik wird dabei, siehe oben, stillschweigend mit ihrer Regierung gleichgesetzt, demnächst wohl auch mit jeder der Regierungsparteien, insbesondere vermutlich der FPÖ. Kritiker sollen - dies die unverhüllte Botschaft aus dem Bärental - nicht mehr nur diffamiert und mundtot gemacht, sondern auch kriminalisiert und strafrechtlich verfolgt werden.

Minister ahnungslos?

Nach den Künstlern (denen man rät, die Hand, die sie füttert, nicht zu beißen), der kritischen Presse (der man mit hohen Posttarifen droht) oder der AK (der man die finanzielle Basis für ihre als regierungsfeindlich eingestufte Arbeit entziehen will), sind nun also die Oppositionspolitiker und die, die man dafür hält, im Visier. Und Justizminister Böhmdorfer - dies ist für mich der noch größere Skandal - findet diesen zutiefst antidemokratischen Vorschlag, wenn auch "nur" in einer ersten, mittlerweile revidierten Reaktion - "sicherlich verfolgenswert". Wusste er wirklich nicht, dass es ein Gesetz dieser Art schon einmal gegeben hat? Abgekürzt hat man es Heimtücke-Gesetz genannt, amtlich "Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Uniformen". Erlassen wurde es am 20. 12. 1934 - in der Nachfolge bzw. als Ergänzung einer gleich nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland 1933 erlassenen Verordnung zur "Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung".

Diese Verordnung und dieses Gesetz erlaubten, so steht es in der Brockhaus-Enzylopädie nachzulesen, "der nationalsozialistischen Regierung und der Justiz, die politische Opposition einzuschüchtern und zu unterdrücken". Unter Strafe gestellt wurde damals u.a. "das Aufstellen unwahrer und gröblich entstellender Behauptungen, die das Ansehen der Regierung oder der NSDAP schädigen".

Der Aufschrei gegen die Haider-Pläne war bisher leise, sehr leise. Man hat sich offenbar an allerhand gewöhnt in diesem Lande. Insbesondere ans Achselzucken: "Naja, kennst ihn ja, den Haider", er werde es wohl nicht so gemeint haben. Dabei meint Haider, wir sollten es eigentlich allmählich wissen, immer, was er sagt.

Mich gruselt's, wenn ich daran denke, was möglich wäre hierzulande, beobachtete uns das (befreundete!) Ausland nicht so genau.

Walter Wippersberg, geb. 1945 in Steyr, lebt als Schriftsteller, Regisseur und Filmemacher in Losenstein, OÖ., und in Wien; im Herbst erscheint im Otto Müller Verlag Salzburg der dritte Teil seiner "Österreichischen Trilogie": "Die Geschichte eines lächerlichen Mannes".