Wien - Man stelle sich vor: Menschen am Donnerstag, zur Demo sich sammelnd, es ist Heldenplatz, und viele sind da. Da tritt einer vor und vor sie hin, mit dem Schwung des Rhetors. Einer, der in Kärnten sein sollte und nie dabei war, bisher, bei den Wanderungen. Nun aber ist er da und fühlt sich berufen, weniger zu wandern, als etwas zu sagen. Ein Lebewohl an die Treuen, zumal die Knaben. Denn "so muss ich denn muss ich denn in mein Bundesland fahren". Les Adieux heißt der Text auch, in der Sprache der Diplomaten. Jörg Haiders Abschiedsmonolog, geschrieben von Elfriede Jelinek. In Kürze wird Jelineks jüngster Dramentext in Österreich zur Aufführung gelangen: am Donnerstag, den 8. Juni, gegen 18.30 Uhr wird der Schauspieler Martin Wuttke ihn am Heldenplatz vortragen. Öffentlich, gewissermaßen als künstlerischen Auftakt der Donnerstags-Demonstration. Wer sich nun wundert und an Elfriede Jelineks Aufführungsverbot für ihre Stücke in Österreich zu erinnern meint, der erinnert sich nur ungenau. Nicht ein einziges Mal nämlich fällt das Wort "Österreich" in Jelineks unmittelbar nach der Regierungsbildung veröffentlichtem Schreiben "Meine Art des Protests" (erschienen im STANDARD am 7. Februar 2000). Nicht Österreich, vielmehr dem Einflussbereich der neuen Machthaber jenseits der Mauern am Heldenplatz wollte sie ihre Sprache entziehen. Damit auch den Theatern, staatlich finanzierten Institutionen. "Die Sprache kann aber nicht einfach selbst und von selbst auftreten", schrieb Elfriede Jelinek, "sie braucht dafür Platz. Von diesen Leuten will ich mir meinen Platz nicht zuweisen lassen, auch wenn die Theater unabhängig sind, sie bewegen sich ja doch im öffentlichen Raum." Theater-Coup Nun organisiert ein unabhängiger Veranstalter den öffentlichen Haider-Monolog: die "Botschaft besorgter Bürgerinnen und Bürger" mit einem Zelt vor dem Ballhausplatz als Amtssitz. Dass Martin Wuttke, am Berliner Ensemble seit Jahren als Arturo Ui die inkarnierte Erotik des Bösen, zusagte, Das Lebewohl in Wien zu lesen, ist ein weiterer Pluspunkt von Jelineks Theater-Coup. Als "Sprecher", alias Haider, wird er Elfriede Jelineks Adieux vorbringen, in die kriegerisch-pathetische Passagen der Orestie des Aischylos ebenso montiert sind wie diverse Haider-Zitate aus News . Kaum ist sie weg, ist sie schon wieder da. Kommt uns das irgendwie bekannt vor? Bisher jedenfalls ist die ausdrückliche Nicht-Staatskünstlerin Jelinek die Einzige, die Haiders vertrackte Spielregeln nicht nur durchschaut, sondern sie in ihr eigenes Spiel integriert. Wie seine Sätze. Raffinierter freilich, kunstvoller. Lustvoll. ( Das erste Drittel von Jelineks Text Das Lebewohl wird am Samstag zu lesen sein.) Cornelia Niedermeier