Frankfurt/Main - Die algerische Schriftstellerin Assia Djebar erhält in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Entscheidung des Stiftungsrates wurde am Freitag bekannt. Die 63-jährige Autorin habe "mit ihrem Werk ein Zeichen der Hoffnung für die demokratische Erneuerung Algeriens, für den inneren Frieden in ihrer Heimat und für die Verständigung zwischen den Kulturen gesetzt", heißt es in der Begründung der Preisjury. Der mit 25 000 Mark dotierte Preis wird Djebar am 22. Oktober in der Frankfurter Paulskirche im Rahmen der Buchmesse überreicht. Es ist eine der bedeutendsten kulturellen Auszeichnungen in Deutschland. Exil in Paris Die Feministin Assia Djebar ist eine der bedeutendsten Schriftstellerin Algeriens. Da sie vom islamistischem Terror bedroht und auch vor der eigenen Regierung nicht sicher ist, lebt und schreibt sie im Exil in Paris. Die laizistische Frauenbewegung Algeriens glaubte lange, sich durch Beteiligung am bewaffneten antikolonialen Kampf eigene Freiheiten gesichert zu haben, die jedoch von der institutionalisierten Befreiungsarmee im unabhängigen Algerien schnell zurückgedrängt wurden. Wenn algerische Feministinnen heute von den zweifellos brutalen und patriarchalen islamistischen Mördern reden, verdammen sie deren Gewalt entschieden und zu Recht, ohne jedoch dabei zu einer grundsätzlichen Kritik der Gewalt vorzudringen. Die antikoloniale Gewalt bleibt tabu. Die Kontinuität der Gewalt wird nicht benannt, aus welcher eine korrupte Machtclipue hervorging, die sich heute gegen die IslamistInnen richtet und diese immerhin massenhaft foltert und hinrichtet - u.a. im selben berüchtigten Gefängnis Barberousse, wie Assia Djebar betont, in dem schon die französische Kolonialarmee folterte und mordete. Die Scheu vor radikaler Gewaltkritik läßt die laizistischen Feministinnen trotz gelegentlicher Kritik der Regierungsgewalt in den Augen der IslamistInnen zum fünften Rad am Wagen der Herrschenden werden. Assia Djebar ist die erste laizistische algerische Intellektuelle, die die Verselbständigung der Gewalt in Algerien vom antikolonialen Krieg bis heute in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt. Die Historikerin Djebar wird die zweite Trägerin des Friedenspreises, die aus Afrika stammt. 1968 war der senegalesische Politiker und Dichter Leopold Sedar Senghor mit der Auszeichnung geehrt worden. Im Vorjahr erhielt der amerikanische Historiker deutscher Abstammung, Fritz Stern, den Friedenspreis. In der Begründung heißt es: "Den vielfältigen Wurzeln ihrer Kultur verpflichtet, hat Assia Djebar einen wichtigen Beitrag zu einem neuen Selbstbewusstsein der Frauen in der arabischen Welt geleistet." Djebar - eigentlicher Name Fatima-Zohra Imalayene - wurde 1936 in der Küstenstadt Cherchell bei Algier geboren und studierte als erste Algerierin Geschichte in Paris. Dort beteiligte sie sich in den ersten Jahren des algerischen Unabhängigkeitskampfes auch an Streiks algerischer Studenten und wurde von der Hochschule ausgeschlossen. Während der Studentenunruhen entstand 1956 ihr Debütroman "La Soif" (1957, in deutscher Übersetzung "Die Zweifelnde", 1993). 1958 heiratete sie ein Mitglied der Widerstandsbewegung und ging mit ihrem Mann nach Tunis ins Exil. Befreiungskampf Djebar arbeitete während des algerischen Befreiungskampfes als Journalistin, engagierte sich als Universitätsassistentin in Rabat in algerischen Initiativen und kehrte 1965 nach Paris zurück. Anfang der 70er Jahr begann sie klassisches Arabisch zu studieren. Nach ihrer Rückkehr nach Algerien im Jahr 1974 unterrichtete sie Geschichte an der Universität von Algier, drehte auch Filme, lehrte in Cambridge (1996/97) und ist seit 1997 Professorin am Zentrum für französische und frankophone Studien der Louisiana State University. Djebar ist seit 1999 Mitglied der Königlichen Belgischen Akademie für französische Sprache und Literatur und erhielt mehrere internationale Preise. Darunter sind der Preis der Internationalen Kritik (1979), der Literaturpreis des Ökumenischen Zentrums Frankfurt (1989) und der internationale Neustadt-Literaturpreis (1996). (APA/pd)