Die Position der Muslime in Österreich lässt sich so zusammenfassen:
Keine Herabwürdigung der Religion
Die von der dänischen Zeitung Jyllands Posten als bewusste und kalkulierte Provokation in Auftrag gegebenen Karikaturen des Propheten Muhammad verletzen die religiösen Gefühle von Muslimen zutiefst. Allein die Darstellung von Propheten, gleich ob Muhammad oder Moses oder Jesus, wird im Islam als Respektlosigkeit betrachtet, da kein Abbild dem Charakter der Propheten gerecht werden könnte, Bilder auch den Blick auf deren Botschaft verstellen könnten. Eine eindeutige Herabwürdigung der Religion liegt im Fall der Karikaturen vor, wenn etwa eine Bombe im Turban des Propheten den Islam an sich als Gewalt verherrlichend darstellt.
Bekämpfung von Islamfeindlichkeit
Europa sieht sich vor der gemeinsamen Aufgabe den gegenseitigen Respekt und die Akzeptanz in einer immer pluralistischeren Gesellschaft zu fördern. Daher sollen xenophobe Tendenzen und dabei auch Erscheinungsformen von Islamfeindlichkeit bekämpft werden. Dass die Karikaturen in einem Klima entstanden, in dem Ausländerfeindlichkeit zunehmend für den gesellschaftlichen Frieden gefährliche Polarisierungen schuf, ist gerade für uns als Muslime in Europa mit Besorgnis zu beobachten. Wenn untragbare Ausdrücke wie „Krebsgeschwür Islam“ salonfähig werden, ist dies nur ein bedenkliches Anzeichen. Die Verwüstung eines muslimischen Friedhofs vor wenigen Tagen kann in einen Zusammenhang mit den Karikaturen gestellt werden, die Volksverhetzung Vorschub leisteten. Die Folgen gezielter Herabwürdigung einer Religion haben in der jüngsten europäischen Geschichte aufgezeigt, dass damit nicht leichtfertig umzugehen ist. Schmähungen und Herabwürdigungen des Judentums führten zur Katastrophe, zum Holocaust. Dass Muslime in Europa von einer Ergänzung oder Ablösung des alten antisemitischen Feindbilds in Richtung Islamfeindlichkeit betroffen sind, wurde auch von nicht-muslimischer Seite wiederholt analysiert.
Bekenntnis zu Meinungsfreiheit - Verantwortung für ein gutes soziales Auskommen
Meinungsfreiheit als unverzichtbares und allgemeines Gut steht für die Muslime in Österreich außer Frage. Dies bedeutet allerdings keinen Widerspruch zum Verständnis eines verantwortungsvollen Umgangs wie ihn auch der journalistische Ehrenkodex formuliert. Meinungsfreiheit wurde in Europa hart erkämpft und verstand sich als Recht des Einzelnen ohne Angst vor Repressalien auch Kritik an den Mächtigen anzubringen. Sie ist historisch von unten nach oben entstanden, was auch vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Konflikts beachtet werden soll, wo umgekehrt eine Minderheit getroffen wurde. Mehr gegenseitiges Wissen voneinander soll den gesellschaftlichen Konsens erweitern, der diese Verantwortung in vielen Bereichen ganz selbstverständlich wahrnimmt. Mehr Sensibilität im Umgang mit religiösen Minderheiten kann ähnliche Fälle verhüten.
Ablehnung von Gewalt
Die Muslime in Österreich lehnen die Gewaltakte ab, die im Zuge des Karikaturen-Streits in verschiedenen Ländern der islamischen Welt durch einzelne Gruppen und Personen aufgeflammt sind. Konflikte dürfen durch Instrumentalisierung nicht zusätzlich angeheizt werden. Es ist unbedingt zu verurteilen, wenn Botschaften angegriffen werden. Auch Fahnen sollen nicht verbrannt werden.
Ehrlicher frühzeitiger Dialog als Weg aus einer Krise
Muslime in Österreich bekennen sich zum Dialog als am besten geeigneten Lösungsmodell bei auftretenden Konflikten und regen an, zukünftig beizeiten die Betroffenen ehrlich zu Wort kommen zu lassen und gemeinsame Wege aus einer eventuellen Krise zu suchen. Diesem Anliegen erwächst zusätzliche Bedeutung auch aus den eigenen positiven Erfahrungen in Österreich.
Die äußerst ausgewogenen Wortmeldungen des Herrn Bundespräsidenten Heinz Fischer als allgemein anerkannte moralische Instanz sind hoch zu schätzen.
Das Engagement der österreichischen Regierung, insbesondere von Herrn Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und von Frau Außenministerin Ursula Plassnik und ihrer Mitarbeiter ist zu würdigen. Nach innen und außen wurden diplomatische Wege zur Bewältigung der Krise in ständiger Beratung mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft gesucht. Dafür sprechen wir unseren besonderen Dank und unsere Anerkennung aus.
Wien, am 17. Februar 2006
Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft
Türkische Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich (ATIP)
Dachverband der Bosniaken in Österreich
Union Islamischer Kulturzentren in Österreich
Islamische Föderation in Wien
Islamisches Zentrum Imam Ali
Österreichische Türkische Föderation
Liga Kultur
Gesellschaft für Zusammenkunft der Kulturen
Hidaya Moschee
Verein Ahl ul Bait
Albanische Islamische Vereinigung
Verein der Erleuchtung (NUR)
Pakistanischer Islamischer Verein
Nigerianisch Islamischer Verein
Bait al Mukarram, Bangladesch, islamischer Kulturverein
Bangladesh Islamic Cultural Centre
Mesjid al Falah