David Irving erschien mit seinem Buch in der Hand beim Prozess: "Er wird wohl noch Werbung machen dürfen", meinte dazu sein Anwalt Elmar Kresbach.

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Wien - "Wir wissen, er ist kein Linksradikaler", sagt Anwalt Elmar Kresbach über den vor ihm starr in der Anklagebank sitzenden und sich sein Blendwerk "Hitler's War" auf den Bauch drückenden inhaftierten Gast aus Großbritannien. Kein Linksradikaler: Ach, wie gerne würde er dazu wohl ein bisschen befreiend schmunzeln. Aber David Irving bekennt sich äußerst diszipliniert, konzentriert und allen beharrlichen Ernstes schuldig. Die Geschworenen nehmen ihn beim Wort: Drei Jahre Haft wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Ja, er hat in seinen Vorträgen 1989 gegen das (österreichische) NS-Verbotsgesetz verstoßen, das gibt er zu. Und, ob man es ihm glaubt oder nicht, und wie tief er seine täglich hundert U-Haft-Fanbriefschreiber damit auch in der Seele verletzt: "Ich bedauere es." So. Gesagt hat er es.

"Er ist kein simpler Mensch", bemüht sich sein Verteidiger. "Er ist auch kein klassischer Massendemogage." Wichtig: "Er ist ein Ausländer." Aber: "Er ist kein Le Pen." Denn: "Er ist überhaupt kein Politiker." Jetzt rutscht Irving unruhig herum, vermutlich würde auch er langsam gerne wissen, wer er hier sein soll. "Er ist ein in der Zwischenzeit etwas einsam gewordener älterer Selfmade-Man mit einer schwer kranken Frau zu Hause", sagt Kresbach. Und, zum NS-Inhalt: "Er ist ein talentierter Historiker, der manche schlimmen Sachen gesagt hat."

Die Sachen waren schlimm genug, um Montag früh den größten Gerichtssaal des Landes mit Menschen und Kameras zu füllen. Seit Jahrzehnten hat man hier nicht mehr so viele internationale Medienvertreter gesehen. Die heimische rechtsradikale Szene ist allerdings - unerwartet - daheim geblieben. Die Polizei weiß nicht so recht, was sie mit ihrem Großaufgebot im Schwurgerichtssaal machen soll, die Beamten stehen eher gelangweilt herum, NS-Themen haben sie noch nie sonderlich interessiert.

Und David Irving ist tatsächlich bereit, hier und heute alles zurückzunehmen, was ihn in Büchern und Vorträgen in aller Welt berühmt und berüchtigt gemacht hat. "Er ist ein Märtyrer des Rechtsextremismus, ein gefährlicher Geschichtsverfälscher", warnt Staatsanwalt Michael Klackl die Geschworenen.

Aber nein, er zweifle ganz und gar nicht mehr an der Existenz von Gaskammern und an der Massenvernichtung der Juden in der NS-Zeit, behauptet Irving: "Diese Meinung war falsch." - "Und wie erklären Sie sich Ihren Gesinnungswandel innerhalb von wenigen Wochen?", fragt Richter Peter Liebetreu. Etwa so, wie es vor einigen Tagen der Daily Telegraph zitiert hatte: dass er sich durch die österreichische Rechtslage gezwungen sehe, ein Geständnis abzulegen? Hier weicht der Angeklagte aus und sagt: "Ich habe in meinen Büchern einige methodische Formfehler begangen. Ich habe das in Etappen festgestellt über die letzten Jahre." Würde er sich bei überlebenden Opfern des Holocaust dafür entschuldigen? - "Selbstverständlich", antwortet Irving dem Richter: "Mir tun all die Unschuldigen Leid, die im Holocaust gestorben sind."

Und wie war das mit Adolf Hitler? "Er hat seine Hand ausgestreckt, um Juden zu schützen", hatte Irving früher gelehrt. "Diesen Satz würde ich heute nicht mehr so stehen lassen", sagt er. Hitler habe immer wieder seine Hand ausgestreckt, um einzuschreiten, verbessert er sich. Irving bleibt aber dabei, dass Adolf Hitler erst nach dem Krieg "die Judenfrage lösen" wollte, was auch immer das geheißen haben mochte. "Man hat ihn hinters Licht geführt", verteidigt er den Führer.

Er bedauert rohe Worte

Bei seinen inkriminierten Vorträgen in Wien und Leoben vor 16 Jahren hatte Irving offen vom "Gaskammer-Märchen" gesprochen. "Ich bedauere, dass ich diese sehr starke Formulierung verwendet habe", sagt der 67-Jährige. Dass Auschwitz für ihn ein "Disneyland für Touristen" gewesen sei, "das entspricht leider nach wie vor den Tatsachen." Man habe da nach dem Krieg "etwas nachgebaut", so drückt er sich aus.

Um das noch einmal klarzustellen: "Ich leugne den Holocaust nicht, ich zweifle nur Einzelheiten an", sagt Irving. 1989 war er eindeutiger. Da litten KZ-Überlebende für ihn entweder "an Halluzinationen", oder sie waren "ein Fall für die Psychiatrie". Heute sagt er dazu: "Ich muss mich bei den Leuten entschuldigen, dass ich meine Worte nicht immer auf die Goldwaage gelegt habe." Er habe sich manchmal eben "roh ausgedrückt, damit mir die Zuhörer nicht einschlafen".

Staatsanwalt Michael Klackl warnt die Geschworenen zuletzt noch einmal eindringlich vor den Gefahren, die von Schreibern und Rednern wie David Irving ausgehen. "Er selbst benutzt nur Worte, aber seine Aussagen geben gewaltbereiten Rechtsradikalen ein festes ideologisches Fundament und eine Berechtigung für ihr Handeln." (DER STANDARD, Daniel Glattauer, Printausgabe, 21.2.2006)