Erster Tag

Nur zehn Minuten sind es vom Flughafen nach St. Peter Port, der Hauptstadt. Langsam gefahren, weil ungewohnt links auf sehr schmalen, unübersichtlichen Straßen. Die Begegnung mit zwei Rolls Royce, einem Jaguar und einem Porsche. Kein schlechter Schnitt. Nirgendwo ist das Verhältnis Auto zu Einwohner so massiv, allerdings nirgendwo kann man das, bei 60 Stundenkilometern maximal, so wenig auskosten. Hier geht es allen sichtlich sehr gut. Das erklärt sich historisch und charakterlich. Die Inseln sehen sich noch immer als Stammland der Normannen, loyal gegenüber der englischen Königin, die für sie die Herzogin der Normandie ist. Sie gehören weder dem Commonwealth noch der EU an. Sie haben ihr eigenes Geld, eigene Gerichtsbarkeit, eigene Briefmarken (sehr gesucht) und eigene Gesetze. Die wunderbaren Steuergesetze (20 Prozent Einkommenssteuer, sonst nichts) machen sie zu Oasen für Geldgeschäfte der großen Art.

50 Banken und Finanzgesellschaften, sowie 2500 Yachtliegeplätzen bei 17.000 Einwohnern finden sich in St. Peter Port. Der hübsche Ort, ohne nennenswerte Monumente, zieht sich vom Meer auf die Hügel. Sie locker an einem Tag zu durchstreifen, ist keine Kunst. Eine fallweise sehr skurrile Mischung aus vorwiegend Engländern, die bei der leisesten Ahnung von Wärme kleidungsmäßig total ausflippen, und Bankern in dunklen Anzügen. Die Straßennamen sind französisch, die Küche glücklicherweise auch. Ein Abstecher zu den viktorianischen Markthallen und ein Besuch bei Victor Hugo. Der Poet im Exil lebte 15 Jahre hier, sein Haus ist ein Panoptikum eigenartiger Innenarchitektur. "Cream Tea" in der Patisserie oder anderswo wäre sehr empfehlenswert - weniger wegen der Figur als wegen des Lokalkolorits, er erspart überdies zumindest eine Mahlzeit. Den Abend verbringt man bei Krustentieren oder dem "catch of the day" Das Meer zu Füßen, auf dem die Boote dümpeln, dahinter ragt das beleuchtete Castle Cornet eindrucksvoll aus den Wellen.


Zweiter Tag

Hoppala, wo ist denn das Meer hingekommen? Vor meinen Augen liegen die Schiffe im Schlick, die Fischer rennen in Gummistiefeln dazwischen herum und das alte Gemäuer steht plötzlich auf einem hohen Felsen. Bis zu 14 Meter beträgt der Tiedenhub, der Unterschied zwischen Ebbe und Flut. Höchst eindrucksvoll. Leihautos sind hier billig und werden vorne und hinten gut sichtbar mit einem H gekennzeichnet Offiziell für "hire" inoffiziell für "hell". Die Einheimischen sind solcherart vorgewarnt. Also hinaus ins Land. Die Insel ist sichtlich in jeder Beziehung ein Schatzkästchen. Ein subtropischer Blumengarten, wieder einmal ist der Golfstrom dafür verantwortlich. Kleine, mit Wildblumen dicht bewachsene Buchten, pittoreske Klippen, meilenweite Wege, wie in der Moulin Huet Bay. Ideal für Wanderer, Tierbeobachter und Sportler. Die Sinnkrise bekommen hier nur Menschen, für die immer was los sein muss. In adretten Vorgärten stehen Palmen, dahinter gepflegte Häuschen aus Granitgestein und elegante Manors.

Und wieder eine Eigenheit. Einheimische haben ihren lokalen Immobilien-Markt. Ausländer müssen sehr reich sein, um auf dem freien, sehr teuren Markt fündig zu werden. Für die harten Arbeiten - Blumen schneiden, Erdäpfel klauben, Tomaten pflücken - werden Fremdarbeiter, vorzugsweise aus Madeira, eingeflogen. Im Tourismus, der zweitwichtigsten Einnahmequelle, finden sich kaum Inländer.

Ganz persönlich

Seigneur Peter de Sausmarez ist der Spross einer 800 Jahre alten Adelsfamilie, Besitzer eines Herrenhauses samt angrenzender Latifundien und neuerdings Liebhaber von Skulpturen. Während Mitglieder seiner Familie ihr Geld einst als Admiräle, Diplomaten, Generäle, Minister oder Freibeuter verdienten, öffnete er - wie viele seiner adeligen Leidensgenossen - gezwungenermaßen Haus und Hof der Öffentlichkeit. Im verzauberten Park, in stillen Hainen, an dunklen Teichen stehen überraschen angeordnete Skulpturen jeder Stilrichtung. Dazwischen tummelt sich allerlei Federvieh. Und wer den Hausherren persönlich erwischt - Damen haben gute Chancen - wird sich amüsieren.