Die Ewiggestrigen haben schon längst in der Welt des Internets ihre Wurzeln geschlagen. Dort kann man Hitlers
"Mein Kampf" herunterladen, "Nazitechno" hören oder Anleitungen zum Bombenbau studieren. In "schwarzen Listen" oder auf
"Hass-Seiten" geben Rechtsextremisten die Namen von politischen Gegnern samt Adressen an, auf manchen Seiten wird zu Mord
aufgerufen. Zwischen 1996 und 1999 hat sich nach Angaben des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz die Zahl der
deutschen rechtsextremistischen Homepages auf rund 330 verzehnfacht.
"Die
genauen Zahlen kennt keiner."
Doch es handelt sich nicht um ein allein deutsches Problem. So geht Kenneth Stern, Experte für Antisemitismus und Extremismus
beim American Jewish Committee, davon aus, dass es zwischen 200 und 800 englischsprachige Websites dieser Art gibt. "Die
genauen Zahlen kennt keiner. Jeden Tag entstehen neue Seiten, andere werden zugemacht. Es kommt aber nicht auf die Zahl der
Sites an, sondern auf die Zahl der Treffer, die die Seite erzielt. In den USA gibt es viele, die sehr populär sind." Rechte Sites nutzten
zunehmend auch Video- und Audiotechnologien. Es gebe sogar Kinder-Homepages. Stern zeigt dabei auf eine Seite eines
Elfjährigen, der die "Bewahrung der eigenen Rasse und eine Zukunft für weiße Kinder" fordert.
Der deutsche Verfassungschutz rechnet damit, dass mit der Ausbreitung des Internets immer mehr
Menschen mit rechtsextremistischer Propaganda in Kontakt kommen. "Rechtsextremisten verfügen mit dem Internet über ganz
neue Möglichkeiten, besonders junge Menschen außerhalb ihres eigenen Umfeldes anzusprechen, die sie auf der Straße mit ihren
Flugblättern oder Publikationen nie erreichen würden", heißt es bei der Behörde in Köln. Zudem ermögliche die Globalität des
Internets, der deutschen Strafverfolgung aus dem Weg zu gehen.
Strafbar!
"Wer aber glaubt, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, irrt", sagt Verfassungsschutz-Sprecher Hans-Gert Lange. Denn in
Deutschland gälten sämtliche Rechtsvorschriften auch im Netz. "Rechtsextremisten, die von Deutschland aus volksverhetzende
Texte, Propaganda verfassungswidriger Organisationen oder deren Kennzeichen im Internet verbreiten oder zu Gewaltakten
aufrufen, machen sich strafbar." Trotzdem sei eine effektive Strafverfolgung schwer. Die meisten Rechtsextremisten stellten ihre
Inhalte über ausländische Provider, vor allem in den USA, ins Internet ein. "Dort gibt es beispielsweise den Tatbestand der
Volksverhetzung nicht", sagt Lange. Zudem setzten auch Rechtsextremisten zunehmend Verschlüsselungstechnologien ein.
Dem Verfassungsschutz sei es jedoch gelungen, bei rund einem Drittel der ihm bekannt gewordenen Fälle Betreiber zu
identifizieren und die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. International seien zumindest eine Angleichung von
Strafrechtsnormen beim Delikt Volksverhetzung und eine bessere Zusammenarbeit seien dringend nötig, heißt es.
Stern vom American Jewish Committee hält das für schwierig. "Vieles, was in anderen Länder verboten ist, fällt in den USA unter
den Schutz der Meinungsfreiheit", gibt er zu bedenken. Ähnlich sieht es Alexander Suck von der Computerzeitschrift "Chip": "Beim
Thema Kinderpornografie ist die Gesetzeslage international ähnlich gelagert. Da kann man sich schneller näher kommen. Beim
Rechtsextremismus ist es dagegen schon schwieriger, weil es dort unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt."
Auch die Technik bietet nach Ansicht Sterns nicht eine allumfassende Lösung. "Wenn man Filter einsetzt, damit unerwünschte
Inhalte nicht eingeblendet werden, riskiert man in den USA eine Verletzung der Meinungsfreiheit. Eine solche Zensur würde aber
auch nicht funktionieren, da sich die betreffenden Sites woanders einen Zugang ins Netz suchen werden." Zudem berge der Einsatz
von Filtern die Gefahr, dass Anti-Hass-Sites (etwa www.nizkor.org oder www.hatewatch.org) ebenfalls ausgeblendet werden.
"Wenn man 'Holocaust' als Suchbegriff eingibt, würden sowohl antisemitische Sites als auch solche, die den Hass bekämpfen
wollen, nicht eingeblendet."
Damit umgehen
Stern setzt vor allem auf Eltern und Schulen. "Wir müssen unsere Kinder auf das Problem aufmerksam machen und ihnen
beibringen, wie sie damit umgehen sollen. Auch sollte man in Bildungseinrichtungen ein Lehrfach einführen, der sich kritisch mit dem
Thema Hass auseinander setzt."
Eine Lösung will die von großen Medienfirmen betriebene Organistion ICRA (Internet Content Rating Association) ab 2001
anbieten. Web-Surfer sollen mit einem System freiwilliger Selbstkontrolle vor unerwünschten Inhalten geschützt werden. Schlüssel
für das System sollen Listen seien, die verschiedene Gruppen - vom Kinderschutzbund bis zur Gewerkschaft - erstellen. "Der
Surfer soll dann bei seinem Internet-Provider unter den Listen wählen können und den Schutzfilter seiner Wahl auf seinem Rechner
installieren", sagt Jens Waltermann von ICRA. "Die Frage der Zensur stellt sich so nicht."(Von Walter Schröder/Reuters)