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Foto: Archiv
Auch in Europa explodiert das Geschäft mit den "Real Tones". Das Geschäft geht. Was heißt geht? Rast. Die Frage ist nur: Wer sitzt im "Driving Seat"?

Riesengeschäft

Faktum ist, dass Klingeltöne sich in den vergangenen drei Jahren zu einem Riesengeschäft entwickelt haben. Jorma Olila, Boss des weltgrößten Handyherstellers Nokia, sagte unlängst, es ginge um bis zu fünf Milliarden Dollar. Das wären immerhin ein Siebentel dessen, was die Musikindustrie weltweit umsetzt.

Neuer Markt erschaffen

Begonnen haben mit dem Versenden von Ringtones aber Portale wie Jamba / Jamster, eine Tochterfirma des Telekomausrüsters Verisign. Diese haben quasi einen neuen Markt erschaffen, nicht zuletzt deswegen, um ihre eigene Existenz zu sichern. Die Kids weltweit danken es ihnen (und nicht nur sie, wenn man sich die Klingelton-Charts ansieht: In den UK erreichte im Vorjahr das vom Komiker Peter Kay in seiner Show verwendete "Is This The Way To Amarillo", der Tony-Christie-Hit aus dem Jahr 1971, Platz drei der Ringtone-Charts. Nach "Tweet Tweet" von "Sweety", ein fettes, gelbes Küken singt: "I may be small, I may be sweet but baby I know how to move my feet!" und der "Crazy Frog"-Version des Themas aus dem 1984er-Film "Beverly Hills Cop" (Charts für Österreich gibt es noch keine, dazu ist der Markt zu klein, Anm.).

"Real Tones"

Der Markt entwickelt sich jedenfalls rasant weiter. Polytones Gedudel löste gerade erst die monotone Piepserei ab - und ist schon wieder passé. Im Vorjahr wurden nämlich erstmals mehr "Real Tones" als "Poly Phones" verkauft, berichtet Claudia Pöpperl, Marketingchefin beim Mobile-Content-Spezialisten Qpass. "Auch der Full-Track-Download wächst schnell, einfach weil die neuen Endgeräte vorhanden sind." Das Content-Geschäft über Handys sehe derzeit so aus: 60 Prozent wird noch immer mit Ringtones erzielt, 20 bis 25 Prozent mit Spielen, zehn Prozent mit Bildchen, zwei Prozent mit Videos - und nur der kleine Rest: ganze Musikstücke und sonstiges.

Komplexe, komplizierte Welt

Für die Musikindustrie war 2005 jedenfalls das Jahr, in dem das digitale Business erstmals auch merkbar in den Bilanzen rumorte. Ob die Bosse der Musikfirmen die Driver sind, darf aber bezweifelt werden. Denn anders als beim Verkauf von Musikstücken über Vinylplatten bis 1990 und ab dem Zeitpunkt über CDs im nach wie vor klassischen Plattenladen haben sie die Distributionskette nicht mehr vollkommen unter Kontrolle. Hier werben Jamba & Co mit Bruchstücken von Songs im Teeniefernsehen, da versuchen sich Softdrinkkonzerne aus Marketinggründen mit Musik zum Runterladen eine "Community" zu schaffen, dort stehen Handyfirmen im schweren Preiswettbewerb, immer auf der Suche nach Goodies, die sie in den Kampf hineinzerren können. Komplexe Welt, um nicht zu sagen: kompliziert. Und dazwischen wuseln die Konsumenten umher, manche schwer verwirrt ob der Fülle des Angebots, manche top informiert und kritisch gegenüber vermeintlichen und echten Abzockereien.

Die Überblicker

Doch es gibt ein paar Überblicker des Chaos - und die erwarten sich gutes Geschäft. Qpass beispielsweise schaffte es unlängst, vom Handynetzriesen T-Mobile mit dem gesamten Management des zu verkaufenden Contents betraut worden zu sein. Und dort hofft man auf asiatische Verhältnisse: In Japan und Korea laden die Handybenützer bereits zehnmal so viel Musik auf ihre mobilen Geräte wie auf ihre Heimcomputer. Oder, um einen weiteren Deal von Qpass anzuführen: Den weltweit 55 Millionen Benutzern von Skype, des führenden privaten Anbieters von Internettelefonie, werden jetzt "Personalisierungen" ihres Kontos angeboten - wichtigstes Accessoire: Klingeltöne.(Leo Szemeliker/DER STANDARD, Printausgabe)