Debatte
"Nur so" wird man heute nicht mehr gewählt
Die SPÖ muss, um eine Alternative zu Schwarz-Blau zu werden, ihre eigene politische Vergangenheit bewältigen, meint Eva Rossmann
Rot ist nicht Blau-Schwarz. In dieser schwer zu leugnenden Feststellung erschöpft sich die Politik der SPÖ zur Zeit. Die
Grünen dürfen am Rande mitnaschen, zumal das Konzept ihrer Führungsspitze ein ähnliches ist: Nur nicht mit klaren
politischen Vorstellungen bei den Menschen anecken, die diese Regierung nicht mögen.
Der Ausgang der Arbeiterkammerwahlen scheint eine solche Strategie auch noch zu bestätigen. Aber nur weil zwei Drittel der
Arbeitnehmer/innen nicht ganz masochistisch veranlagt sind, ist die Zukunft der Sozialdemokratie noch nicht gesichert.
Erschreckend schnell wird diese - vornehm ausgedrückt - rückwärtsgewandte Regierung "normalisiert": Durch die mediale
Einfalt, mit der bilaterale Maßnahmen gegen die Regierung zu Sanktionen gegen Österreich umgedeutet und hochgespielt
werden. Durch die Ignoranz gegenüber unserer Vergangenheit, in der man so tut, als würde diese Regierung wegen
EU-kritischer Töne geschnitten und nicht wegen ihres skandalösen Umgangs mit Faschismus und Ausländerfeindlichkeit (für
Sexismus gerät man ja leider weder national noch international in Verruf). Und natürlich auch durch den Zeitablauf. Es
entspricht eben der österreichischen Mentalität, abzuwarten, zuzuschauen - und dann nie dabei gewesen zu sein.
Je stärker die blau-schwarze "Normalisierung" wird, desto schwächer wird der Drang, "einfach so" dagegen und daher für die
SPÖ zu stimmen. Waren es nicht die Sozialdemokraten, die in der großen Koalition den Boden für die jetzige Politik
gründlich aufbereitet haben? Mit ausländerfeindlichen Gesetzen, mit Sparpaketen, die ja nun immer die am meisten treffen,
die sich ohnehin nicht viel leisten können? Mit Pensionsreförmchen, die Geldbeschaffungsaktionen waren? Mit
polizeistaatlichen Maßnahmen wie Lauschangriff und Rasterfahndung?
Die SPÖ wird sich nur dann als glaubwürdige Alternative gegen Blau und Schwarz beweisen können, wenn sie ihre eigene
politische Vergangenheit bewältigt. Gusenbauers Auftritt gegen die braunen Flecken in seiner Partei war ein guter Anfang.
Aber: Gegen Faschismus zu sein, ist allemal Mehrheitsmeinung in der SPÖ. Und es ist leichter, früheren Politikern
vorzuwerfen, sich nicht immer und ausreichend abgegrenzt zu haben. Kreisky ist eben schon tot. Schlögl hingegen spielt
noch immer eine wichtige Rolle in der Partei und beinahe alle Parlamentarier/innen - unter ihnen auch Gusenbauer selbst -
haben die Politik der letzten Jahre zumindest mitgetragen, teilweise auch mitgeprägt.
Blaue Flecken
Kritik an der Politik der Regierung wird nur dann nicht bloß als Oppositionsgetöse verstanden werden können, wenn ihr die
kritische Auseinandersetzung mit den eigenen politischen Fehlern vorangeht. Also: Höchste Zeit für die SPÖ, nicht nur gegen
die braunen Flecken, sondern auch gegen die blauen Flecken (©Max Koch) aktiv zu werden.
Dafür bedarf es zunächst der gründlichen Analyse. Was ist in der Migrationspolitik der letzten Jahre falsch gelaufen? Wie
konnte ein politisches Klima entstehen, das zu Worten wie "Schübling", das zum Tod von Marcus Omofuma, das zu
Plakaten wie "Stopp der Überfremdung" geführt hat? Welchen Anteil hatte die SPÖ an diesen Entwicklungen? Wie konnte es
geschehen, dass in Österreich als einem der zehn reichsten Länder eine Million armutsgefährdeter Menschen leben? Wie ist
man mit den - teils geschürten - Ängsten der Menschen vor sozialem Abstieg und Arbeitslosigkeit umgegangen? Wie sind die
Einkommen, wie ist das Vermögen verteilt? Oder: Warum verdienen Frauen im Durchschnitt noch immer rund ein Drittel
weniger als Männer?
Die Diskussion darüber hätte eine öffentliche zu sein, die Schlussfolgerungen daraus Grundlage einer neuen Politik.
Demokratiepolitisch wäre ein solcher Erneuerungsprozess über die Sozialdemokratie hinaus befreiend. Endlich würde über
Ursachen und Wirkung von Politik geredet, über Inhalte, statt über Parteien, die "einfach so" zu wählen oder nicht zu wählen
sind.
Konkurrenz
Und wenn die SPÖ das nicht schafft? Wenn sie meint, ein bissl anders, ein bissl links, ein bissl Mitte, ein bissl rechts zu
sein, werde schon reichen? Dann könnte ihr über kurz oder lang Konkurrenz drohen. Immer mehr Menschen sind der
Überzeugung, dass es eine glaubwürdige Politik mit konkreten Inhalten links von blau-schwarz braucht. Und da ist ja nun
wirklich jede Menge Platz. Eine ausgeglichene Sozialpolitik, eine intelligente Wirtschaftspolitik, die statt kurzfristiger Effekte
die volkswirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt, eine Frauenpolitik, die endlich nicht bloß kleine Eliten in die Lage
versetzt, ihre Fähigkeiten frei nutzen zu können.
Die Demokratische Offensive hat kürzlich eine Kampagne für Neuwahlen gestartet. Ich stimme ihr zu: Je früher diese
Regierung zurücktritt, desto besser für die Menschen in Österreich. Es wäre also klug, wenn sich die SPÖ mit der
Bewältigung ihrer jüngsten Vergangenheit beeilte.
Eva Rossmann lebt als freie Publizistin in Wien