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Foto: Archiv
Seit Herbst 2004 treibt das Magazin spike dem Kunstbetrieb vierteljährlich einen Dorn ins Fleisch. Spike tritt gegen die Kunstsinnigkeit jener an, die im schlechtesten Sinne des Wortes arriviert sind, also seit der eigenen Ankunft am sicheren Ufer die künstlerische Erfrischung scheuen. Aber was Dornen hat, blüht auch.

spike will verändern. Für ein Selbstverständnis, das von "Lebendigkeit, Intensität und Kritikfähigkeit" getragen ist, werfen sich die Produzenten von spike ins Zeug.

Im weiten Feld der Zeitschriftenlandschaft ist das Kunstmagazin spike ein Nischenprodukt. Die fachliche Eloquenz der im Magazin vertretenen AutorInnen verlangt nach einem Publikum, das an der Welt der Kunst interessiert und lernbereit ist.

Die Leserschaft wird gefordert, das fällt ihr nicht immer leicht. Wer sich dieser Herausforderung jedoch stellt, dem öffnet das Magazin ein Tor zur bildenden Kunst. Ihre Orte werden plastisch, ihre Akteure erhalten Profil, ihre Verhältnisse werden greifbar.

spike stellt nicht einfach Kunstwerke vor. spike zeigt die Welt der Kunst als Welt der Produktionsbedingungen, Geschichten, Ideen, Machenschaften, Moden, Emotionen und Netzwerke. Das ist ein besonderes Geschenk, denn dieser Zugang verleiht den hochfliegenden Ankündigungen der Produzenten nach Echtheit und klarem Blick - "ins Herz einer Generation hineinzuwollen und einen Moment zu fassen" - bodenhaftende Glaubwürdigkeit.

Zweimal zuhören

Als Magazin, das am Markt gekauft werden will, ist spike für all jene, die auch im sonstigen Leben bereit sind, ein zweites Mal hinzuhören oder hinzusehen. spike zieht keine Eventregister, in diesem Sinne ist das Magazin politisch, spike bezieht Stellung, für Kunst.

Inhaltlich besticht das Magazin durch fachliche Dichte. Die Konzeption der Beiträge ist nicht zu sehr auf Quote ausgelegt, die intelligente Zusammenstellung unterschiedlicher Perspektiven bietet Überblick und Einblick. Zu den Magazinstandards zählt die Vorstellung junger KünstlerInnen durch bekanntere KollegInnen. Welche Kunst sie mögen und weshalb, geben neben anderen Pipilotti Rist und Sarah Morris preis und sie erzählen solcherart "insidernd" auch von ihrem eigenen Kunstbegriff.

Unter der Rubrik Curator's Key berichten KuratorInnen über ein für sie und ihre Arbeit wichtiges Werk, im Stil essayistisch und im Gegensatz zum Rubriktitel auf Deutsch.

Für künstlerisches Trendscouting und als Informationsupdate sind die Befragungen neuer Galeristen, die Besprechungen internationaler Ausstellungen und die "Citylights"-Beiträge hilfreich.

"Art is an excuse to have a dialogue." In diesem Sinne publiziert spike regelmäßig intelligente und unterhaltsame Interviews von Künstler zu Künstler und erinnert damit an das legendäre Inter/ VIEW-Magazinprojekt von Andy Warhol und Gerard Malanga.

Zusammen mit einem einleitenden Essay, der Präsentation eines Kunstsammlers sowie den Porträts von Künstlern bilden diese Interviews den in englischer und deutscher Sprache verfassten Hauptteil des Magazins.

Neben der bildenden Kunst ist den Bereichen Film, Video, Musik, Design, Architektur, Theater, Performance und Mode im Magazin spike nur in Seitensprüngen beizukommen. Das steht zwar im Gegensatz zum breit gefassten Magazinuntertitel Art Quarterly, kann aber auch als (Selbst-)Schutz der Produzenten von spike verstanden werden: Vor der Beliebigkeit, die sich in der Welt der Kunst mitunter auszubreiten droht.

Was sticht, blüht

Wer die Zukunft im Garten der Kunst so rosig sehen will wie spike, braucht eine gehörige Portion Idealismus und finanzielle Durchhaltekraft. Seine Macher haben beides. spike ist ein Produkt des Sportmagazin-Verlags von Herausgeber Herbert Pinzolits, des New Art Club (früher Futuregarden Kunstverein) und der Chefredakteurin Rita Vitorelli. Mit ihnen verbindet mich die Ansicht, dass Kunst nur blüht, wenn sie auch sticht. (DER STANDARD; Printausgabe, 2.3.2006)