Hamburg - Für Wirbel bei VW hatten am Mittwoch Äußerungen von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech gesorgt. Piech sagte, es sei "wirklich eine offene Frage", ob der Vertrag von VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder verlängert werde. Pischetsrieders Vertrag läuft bis 2007. Berichten zufolge will der Aufsichtsrat im Frühjahr über eine Vertragsverlängerung entscheiden.

Gespaltener Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat sei in dieser Frage gespalten. Er selbst werde mit den Großaktionären für eine weitere Zusammenarbeit mit Pischetsrieder stimmen, sagte Piech. Auch die Großaktionäre Porsche und das Land Niedersachsen stünden auf der Seite Pischetsrieders. Heftiger Widerstand werde dem Konzernchef möglicherweise von den der Arbeitnehmervertreter entgegengebracht, die 10 der 20 Sitze im Aufsichtsrat besetzen. "Ich kenne keinen in einem deutschen Unternehmen, der mit zehn Stimmen der Arbeitnehmerseite gegen sich überleben konnte", sagte Piech in dem Interview mit dem Wall Street Journal. Auch Pischetsrieder selbst macht sich mittlerweile Sorgen um seine Zukunft, gestand er gegenüber der Financial Times. Als möglicher Nachfolger Pischetsrieders wird neben Audi-Chef Martin Winterkorn auch VW-Markenchef Wolfgang Bernhard genannt, der als harter Sanierer gilt.

Kurs bricht ein

Unterdessen ist der Kurs der VW-Aktie nach einem rasanten Anstieg in den vergangenen Monaten am Donnerstag kräftig eingebrochen. Mit einem Minus von 3,5 Prozent auf 55,54 Euro war der Autobauer am Nachmittag schlechtester Wert im DAX.

Positives gab es hingegen aus der Nutzfahrzeugsparte von VW: Diese fuhr aus der Verlustzone und steigerte 2005 den Umsatz um 20,8 Prozent auf über sieben Mrd. Euro.

Pischetsrieder hatte vor drei Wochen ein tief greifendes Umstrukturierungsprogramm für die Kernmarke VW angekündigt, von dem bis zu 20.000 Mitarbeiter betroffen sein könnten. Piech hatte seinem Nachfolger eine Reihe von Problemen hinterlassen: Zu hohe Produktionskosten, unpassende Modellzyklen, teure Träume von Luxusmarken, falsche Modellpolitik in China. VW-Markenchef Bernhard sieht den Autobauer in einer schweren Krise. Für VW gehe es derzeit "ums Überleben", sagte er der Chemnitzer "Freien Presse"(Donnerstagausgabe). "Wir müssen wieder ein erfolgreiches Unternehmen werden, das Geld verdient. Zurzeit sind wir noch nicht wetterfest."

Wieder auf Kurs bringen

Bernhard sagte, es werde zwei bis drei Jahre brauchen, bis VW wieder auf Kurs sei. "Wenn es uns gelingt, Qualität und Produktivität zusammenzuführen und eine saubere, robuste Fertigung zu ermöglichen, dann haben wir unser Ziel erreicht." Der "Fehlerabstellprozess" bei VW müsse schneller laufen, Entwicklung und Produktion dürften nicht erst nacheinander starten.

Zugleich bekräftigte Bernhard, VW werde an seinem Engagement in der Oberklasse festhalten. "Für die Marke Volkswagen ist es wichtig, Leitsterne am Markenhimmel zu positionieren." Daher würden Touareg und Phaeton einen Nachfolger erhalten.

Unterdessen kam vom neuen VW-Hauptaktionär Porsche Kritik an der Modellpolitik von VW: "Volkswagen muss billigere Autos bauen, beziehungsweise den technischen Inhalt reduzieren", sagte Porsche-Finanzchef Holger Härter laut "Spiegel online". Härter soll im Mai in den VW-Aufsichtsrat gewählt werden.

Kritik an VW-Modellen

Mit seiner Kritik an den VW-Modellen spielt er darauf an, dass Wagen wie Golf oder Passat technisch anspruchsvoller und daher auch teurer sind als die meisten Konkurrenzautos. Dieser Kurs geht zurück auf Anweisungen von Piech, der VW oberhalb der anderen Mittelklasseanbieter positionieren wollte. Piech und seine Familie sind Großaktionär von Porsche und somit indirekt VW-Mitbesitzer. Das Verhältnis von Piech und Pischetsrieder gilt als angespannt.

Porsche-Finanzchef Härter unterstützte in dem Interview den Sparkurs bei VW, den Pischetsrieder nach seiner Amtsübernahme von Piech eingeschlagen hatte. Porsche war im vergangenen Jahr mit drei Milliarden Euro bei den Wolfsburgern eingestiegen und hält nun mit 18,5 Prozent das größte Aktienpaket vor Niedersachsen mit 18,2 Prozent.

Neues gibt es auch beim VW-Vertrieb. Am 1. April wurde der Pkw-Vertriebschef Peter Maiwald ausgewechselt. Als Nachfolger wurde Stefan Müller eingesetzt, der von der Volkswagen Retail GmbH kommt und zeitweise den Vertrieb von Audi in Deutschland geleitet hat. (APA/AP)