Hamburg - Über ihr Alter spricht Sonia Rykiel äußerst ungern. "Es hat nichts mit meiner Arbeit zu tun", sagt die Designerin. "Ich mache Mode für Frauen ohne Alter." Am Donnerstag feiert die "Königin des Stricks" den 70-er und wird zahllose Glückwünsche über sich ergehen lassen müssen - in Paris ist sie ungemein populär. Rykiel gilt seit mehr als 30 Jahren als eine der erfolgreichsten Designerinnen Frankreichs. Die Zeitschrift Madame Figaro kürte sie sogar zu "einer der zehn Frauen, die die Welt bewegten". Mit ihrer legeren und gleichzeitig sehr femininen Mode hat sie das Frauenbild der vergangenen Jahrzehnte entscheidend geprägt. Rykiel ist eine "intellektuelle" Modemacherin; sie hat mehrere Bücher geschrieben und interessiert sich für Literatur, Kunst und Philosophie. Vielleicht lehnt sie daher das Denken in Kategorien wie "Alter" so stark ab. Ihre Mode hat die gebürtige Pariserin eine "Nicht-Mode" genannt. Jede Frau soll ihre eigene Note kreieren und einen individuellen Stil schaffen; eine Art Statement gegen jegliches Modediktat. "Ein Kleid leuchtet nicht, wenn keine Frau darin atmet", sagt Sonia Rykiel. Frei atmen im wahrsten Sinne des Wortes können Frauen tatsächlich in den Entwürfen: Strick- und Trikotstoffe sind zwar schmal, doch immer fließend und niemals einengend verarbeitet. Ihre Lieblingsfarbe Schwarz variiert die Designerin häufig mit intensivem Violett, Rosa oder Blau in Form von Streifen, geometrischen Mustern oder programmatischen Aufschriften. Begonnen hatte ihre Karriere 1968 in der Hochburg der Pariser Studentenbewegung, dem Viertel Saint Germain des Pres am linken Seine-Ufer. Rykiel gründete hier ihre eigene Firma: "Eine total euphorische Phase... diese Zeit der Protestmode!", erinnert sie sich. "Ich kehrte die Innennähte nach außen, führte Kleider ohne Saum ein, bearbeitete die Stoffe auf der Innen- und auf der Außenseite, entfernte die Schulterpolster und das Innenfutter und gewöhnte die Frauen daran, mehrere Kleidungsstücke übereinander zu tragen." Aus den Anfängen ist längst ein international agierendes Unternehmen geworden mit einer Herrenlinie, Parfüms, Brillen, Schuhen, Accessoires und sogar einer Kinderkollektion. Rykiels Tochter Nathalie (die sie zur dreifachen Großmutter gemacht hat) zeichnet als Kreativ-Direktorin für die gesamte künstlerische Leitung wie auch das Image des Modehauses verantwortlich. "Ich wollte niemals mein Familienleben aufgeben", erzählt Sonia Rykiel. Sie habe immer versucht, beides zu leben - Beruf und Privates. Ihre Mode richtet sich offenkundig an eine flexible Frau, die verschiedene Lebenssituationen meistern muss. Am ehesten könnte man sie daher mit Coco Chanel vergleichen, die der Damenmode im 20. Jahrhundert zu mehr Beweglichkeit und den Frauen damit zu größerer Freiheit verhalf. Wie die legendäre "Mademoiselle" verkörpert auch Sonia Rykiel perfekt den von ihr kreierten Look - mit ihrer flammend roten Mähne, den dunkel geschminkten Augen und den schwarzen, fließenden Gewändern wirkt sie wie eine Existentialistin. Passend hierzu bewahrt sie sich eine Philosophie des Zweifels: "Bis heute sage ich nie: Ich weiß." (dpa)