Hollywood - Fast gänzlich unpolitisch und wenig aufgeregt, aber dafür sehr amüsant und ausgewogen ist die 78. Oscar-Verleihung in Hollywood verlaufen.

Foto: Photo/Mark J. Terrill

Für die große Überraschung sorgte in der heutigen Nacht (MEZ) "L.A. Crash" von Paul Haggis, der den Oscar für den Besten Film des Filmjahres 2005 einstrich.

"L.A. Crash" ging zwar als Außenseiter ins Rennen um die prestigeträchtigste Kategorie, unverdient ist der Oscar aber sicher nicht.

Foto: Photo/Mark J. Terrill

Wie amerikanische Kommentatoren meinten, werde nun aber wohl hauptsächlich diskutiert, ob das Episoden-Drama "L.A. Crash" über Rassismus in den USA wirklich der beste Film war oder einfach die perfekte Alternative, um den Preis nicht an "Brokeback" verleihen zu müssen.

Der Crew rund um Regisseur und Drehbuchautor Paul Haggis dürfte das egal sein, schließlich ergatterte die Billigproduktion ebenfalls drei Awards.

Foto: Lions Gate Fillm

Bild nicht mehr verfügbar.

Der klare Favorit "Brokeback Mountain" (Foto) gewann bei acht Nominierungen nur drei Academy Awards - unter anderem Ang Lee für die Beste Regie. Um die Ausgeglichenheit des Abends perfekt zu machen: Auch "Die Geisha" und "King Kong" durften sich über drei Oscars freuen. Letzter dürfte sich gemessen an der Erfolgs-Quote als die Sieger der Oscar-Verleihung fühlen: Der Streifen von Peter Jackson setzte 75 Prozent seiner Nominierungen in Auszeichnungen um.

Foto: APA/EPA/ANSA

George Clooneys "Good Night, and Good Luck" (Foto) war der große Verlierer des Abends. Der Tiroler Hubert Sauper ging im Rennen um den Besten Dokumentarfilm leer aus.

Foto: Warner Independent Picture

Bild nicht mehr verfügbar.

Moderator Jon Stewart sorgte vor 3.000 Gästen im Kodak Theatre in Los Angeles für einen lustigen Oscar-Abend, der Komiker blieb jedoch bei seinen satirischen Bemerkungen weitgehend unpolitisch.

Daran änderten auch konstruiert und veraltet wirkenden Witze wie: "Glauben Sie, dass die Demokratie in Hollywood aufblühen würde, wenn wir alle zusammenkämen und das niederrissen?" nichts, so Stewart mit Blick auf die riesige Oscar-Statue hinter sich und im Hinblick auf die Saddam Hussein-Statue, die nach dem Einmarsch der US-Truppen im Frühjahr 2003 in Bagdad umgestürzt wurde.

Und auch die Ehrungen setzten 2006 nicht unbedingt ein politisches Zeichen.

Foto: REUTERS/Gary Hershorn

Bild nicht mehr verfügbar.

Stewart riss eher Schmähs dieser Sorte: "Björk konnte nicht hier sein. Bei der Anprobe ihres Oscar-Kleids wurde sie von Dick Cheney erschossen," bemerkte er in Anspielung auf das Schwanenkleid der Musikerin, das diese vor fünf (!) Jahren bei der Academy-Gala getragen hatte und den Jagdunfall bei dem US-Vizepräsident Cheney im Februar einen anderen Jäger angeschossen hatte.

Foto: AP /Michael Caulfield

Bild nicht mehr verfügbar.

Der satirische Moderator Jon Stewart spaltete die Kritikergemeinde: Als großen Lichtblick der unaufgeregten Oscar-Nacht sahen ihn viele TV-Kritiker. "Er war smart, er war lustig, und er war so angenehm wie ehedem Johnny Carson", hieß es etwa. Einige Stimmen orteten aber auch Humorlosigkeit und pure Langeweile.

Über Hollywood selbst sagte er etwa: "Viele Menschen sagen, diese Stadt ist zu liberal, ohne Kontakt zum Durchschnitts-Amerika, ein atheistischer Pleasure Dome am Strand von Sodom und Gomorrah, ein moralisches Schwarzes Loch, wo Unschuld in einer endlosen Orgie von sexueller Befriedigung und Gier ausradiert wird ... Ich dachte, Sie sollten wissen, dass viele Leute das behaupten."

Foto: AP /Mark J. Terrill

Bild nicht mehr verfügbar.

Für seinen gesellschaftskritischen Streifen über Alltagsrassismus in den USA gelang aber immerhin Paul Haggis der große Coup. Haggis' Debüt "L.A. Crash" gewann neben der prestigeträchtigen Hauptkategorie außerdem den Oscar für den Besten Filmschnitt und das Beste Originaldrehbuch.

Foto: AP /Lions Gate, Jim Sheldon

Bild nicht mehr verfügbar.

Der 52-Jährige (hier abgeschmatzt von Jack Nicholson) hatte schon das Drehbuch für "Million Dollar Baby" von Clint Eastwood geschrieben.

Im Rennen um den Besten Film setzte sich "L.A. Crash" gegen "Brokeback Mountain", "Capote", "Good Night, and Good Luck" und "München" durch.

Foto: REUTERS/Mike Blake

Bild nicht mehr verfügbar.

"Brokeback Mountain" blieb bei der Verleihung unter den Erwartungen.

Foto: AP / Focus Features/ Kimberly French

In den Debatten nach der Oscar-Verleihung im Kodak Theatre war man sich hauptsächlich in einem Punkt einig: "Brokeback Mountain" war der Academy wohl doch etwas zu heiß. Der Film hatte für große Diskussionen im Vorfeld gesorgt, vor allem Konservative und christliche Fundamentalisten kritisierten den modernen Western über die homosexuelle Liebe zwischen zwei verheirateten Cowboys heftig.

Foto: Focus Feature

Bild nicht mehr verfügbar.

Ganz verschließen konnte sich die Oscar-Gemeinde dem Werk von Ang Lee jedoch nicht: drei Goldstatuen gingen an "Brokeback Mountain", darunter jener für die Beste Regie an Ang Lee (>>>Porträt), die Trophäe für das Beste adaptierte Drehbuch und die Beste Filmmusik.

Foto: AP /Chris Carlson

Bild nicht mehr verfügbar.

Der große Verlierer - neben dem nicht besonders hoch gehandelten "München" von Steven Spielberg - blieb Sonnyboy George Clooney. Für "Syriana" erhielt er zwar gleich zu Beginn des Abends den Oscar als Bester Nebendarsteller: damit war ihm aber auch schon klar, dass für die Beste Regie für "Good Night, and Good Luck" wohl nichts mehr herausschauen würde. Tatsächlich ging das Politdrama trotz sechs Nominierungen gänzlich leer aus.

Clooney wertete seine Ehrung als Bester Nebendarsteller in "Syriana" als Ersatz für eine Auszeichnung als Bester Regisseur.

Foto: AP /Chris Carlson

Bild nicht mehr verfügbar.

"Wir sind ein bisschen realitätsfremd in Hollywood. Ich denke, das ist in Ordnung. Wir sind diejenigen, die über Aids gesprochen haben, als man nur darüber geflüstert hat. Wir sprachen über Bürgerrechte ... Ich bin stolz, dieser Akademie anzugehören, ich bin stolz, Teil dieser Gemeinschaft zu sein, ich bin stolz darauf, 'realitätsfremd' zu sein, ironisierte Clooney bei seiner Dankesrede.

Foto: AP /Chris Carlson

Auch David Strathairn, Protagonist von Clooneys Film, ging im Rennen um den Besten Hauptdarsteller leer aus. Diese Kategorie entschied Philip Seymour Hoffmann für sich.

Bei den Hauptdarsteller-Preisen gab es also keine Überraschungen.

Foto: Foto: Photo/Mark J. Terrill

"'Capote' zeigte Amerika, dass nicht alle Homosexuellen virile Cowboys sind - manche sind sogar ausgelaugte New Yorker Intellektuelle," kommentierte Moderator John Stewart.

Philip Seymour Hoffmann überzeugte die Jury mit seiner Darstellung des exzentrischen schwulen Schriftstellers Truman Capote im Film "Capote" (Foto). >>>Porträt

Foto: United Artists

Beste Hauptdarstellerin wurde Reese Witherspoon. Sie wurde für ihre Mitwirkung in dem Film "Walk the Line" ausgezeichnet.

Foto: 20thCenturyFox.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die strahlende Gewinnerin Whiterspoon auf die Frage, wie sie sich auf den Abend vorbereitet hat: "Ich habe viele Windeln gewechselt ... hab mich frisiert, meine Nägel gepflegt, mich geschminkt und draußen war ich bei der Tür." >>>Porträt

Foto: AP /Chris Carlson

Als Beste Nebendarstellerin bekam Rachel Weisz den Oscar. Sie erhielt die goldene Statuette für ihre Spiel in "Der ewige Gärtner".

Foto: Focus Features

Bild nicht mehr verfügbar.

Die schwangere Darstellerin konterte, auf die Journalistenfrage, welche Namen sie für ihr Baby in Erwägung zieht: "Oscar ist nicht dabei".

Foto: AP/Chris Carlson

Ein Oscar blieb auch Hubert Sauper verwehrt: "Darwin's Nightmare" musste sich im Rennen um den Besten Dokumentarfilm dem Film ...

Foto: Filmladen

...... "Die Reise der Pinguine" des Franzosen Luc Jacquet geschlagen geben.

Sauper selbst zeigte sich nicht besonders enttäuscht, er hätte sich jedoch eine politischere Gala gewünscht - und gerne in seiner eigenen Dankesrede selbst einen Beitrag dazu geleistet (>>>"Ich war schon knapp vor dem Brechreiz" .

Foto: Bonne Pioche Productions

Bild nicht mehr verfügbar.

Im Wiener Metro-Kino ließen sich zahlreiche Oscar- und Sauper-Fans die Nacht jedoch nicht vermiesen. Mit einer riesigen Torte feierten sie allein schon die Nominierung für den in Paris lebenden Österreicher.

Foto: APA/Lehner

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch das deutsche Nazi-Widerstandsdrama "Sophie Scholl - Die letzten Tage" bekam keinen Oscar. Der Streifen des Regisseurs Marc Rothemund war in der Kategorie Bester ausländischer Film nominiert. Dort gewann der südafrikanische Film "Tsotsi" (Foto) von Gavin Hood.

Foto: AP /Ster-Kinekor Films

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch "Paradise-Now", Hany Abu-Assads Filmbeitrag über zwei palästinensische Selbstmordattentäter, ging in Hollywood leer aus. Im Vorfeld hatte es einige Diskussionen darüber gegeben, dass der Film unter dem Herkunftsland "Palästina" und nicht korrekter Weise unter "Israel" eingereicht wurde.

"Ich glaube, es ist sehr gut, verschiedene Reaktionen auszulösen, denn mit unterschiedlichen Reaktionen erzeugt man Diskussion, und Diskussion ist eine gute Sache," so der Regisseur (Foto, Mitte) vor der Show auf dem roten Teppich.

Foto: REUTERS/Mario Anzuoni

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Oscar für den Besten Animationsfilm ging an "Wallace and Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen", die berühmten Knetfiguren stachen dabei u.a. Tim Burtons "Corpse Bride" aus.

Foto: REUTERS/Mike Blake

Der Preis für den Besten Kurzfilm ging an "Six Shooter", der Award für den Besten animierten Kurzfilm an "The Moon and the Son: An Imagined Conversation". Für die Besten Spezialeffekte wurde "King Kong" ausgezeichnet. Die Statue für das Beste Make-Up erhielt "Die Chroniken von Narnia".

Eine Überraschung gab es beim Besten Filmsong: "It's Hard Out Here For A Pimp".

Foto: Foto: Photo/Mark J. Terrill

Die Gruppe "Three 6 Mafia" sorgte auch für die einzige etwas andere Danksagung (Foto).

Jon Stewart, direkt nachdem "A Pimp" den Oscar erhalten hat: "Wissen Sie was: Ich glaube, für einen Zuhälter (a pimp, Anm.) ist es hier heraußen gerade etwas leichter geworden." (APA/red) (APA/red)

Foto: Photo/Mark J. Terrill

Bild nicht mehr verfügbar.

Bei der Entgegennahme seines Ehren-Oscars, trotz mehrfacher Nominierung der erste Academy-Award, verriet der 81-jährige Robert Altman (>>>Porträt) ein wohlbehütetes Geheimnis: "Ich denke, ich muss aufrichtig zu Ihnen sein. Vor zehn, elf Jahren hatte ich eine komplette Herztransplantation. (...) Ich habe, glaube ich, das Herz einer jungen Frau Ende Dreißig bekommen. Nach dieser Rechnung würden Sie den Preis zu früh vergeben, denn ich glaube, ich habe noch vierzig Jahre vor mir." (APA/red)

>>> Liste aller GewinnerInnen

Foto: REUTERS/Gary Hershorn