Der Elsässer Zeichner Toni Ungerer schätzt sein Kraut mit eingerauchtem Fisch.

Illustration: Toni Ungerer

"Krüt un Krüt esch zweierlei", sagt man im Elsass, wenn es ums Sauerkraut geht. Wer das klassische Gericht dieser germanisch geprägten, gleichzeitig aber besonders patriotischen Provinz Frankreichs in einer "Winstüb" kosten durfte, der weiß, wie Recht die Elsässer haben: Mit der durchgesäuerten, in Mehlschwitze und Kümmel erstickten, soßig zerkochten Pampe, die einem diesseits des Rheins und im Alpenraum untergejubelt wird, hat die feinwürzige, nach Weißwein duftende elsässische "Choucroute" (so die französische Bezeichnung) nur den Namen gemein. Das liegt einmal am Ausgangsmaterial, das im Elsass ausnahmslos aus den riesenhaften Krautschädln der Sorte "Quintal d'Alsace" bestehen darf, welche rund um den treffend Krautergersheim getauften Ort angebaut werden. Mit Meersalz, Lorbeer, Koriandersamen, wenig Nelken und frischem Knoblauch sowie etwas Wacholder wird es eingelegt.

Vor der Zubereitung will das Kraut fest ausgedrückt und vom sauren Saft befreit werden. Den darf der Koch gleich trinken - wenn's auch nicht besonders schmeckt, so führt er sich so doch abartig viel Vitamin C zu, und appetitanregend ist es auch.

Mit klassischem Kräutersträußlein

Jetzt werden fein geschnittene Zwiebeln und Äpfel in Enten- oder Gänseschmalz angeschwitzt (nicht umsonst ist Straßburg die alte Hauptstadt der Foie Gras), dann kommt das Kraut samt klassischem Kräutersträußchen - Thymian, Lorbeer, Petersil - dazu. Der zuvor ausgedrückte Saft wird durch trockenen Weißwein ersetzt. Bis zur Hälfte sollte das Kraut schon in Riesling baden, bevor der Deckel drauf und der Topf ins Rohr kommt, um bei 150 Grad rund eine Stunde zu schmoren.

Die klassische Choucroute wird mit Bergen geräucherter Würste, gepökeltem Fleisch, knusprig gebratenen Gansbiegeln, Blunzen, Stelzen und anderen Schweinereien mehr zum Inbegriff eines festlichen Schmauses, zu dem reichlich Riesling, aber nur wenig bis gar keine Kartoffeln (und schon gar keine Knödel!) gereicht werden.

Wesentlich eleganter (und nicht minder klassisch elsässisch) ist die maritime Spielart des Sauerkrauts, die der nicht immer so jugendfreie Elsässer Zeichner Tomi Ungerer vorzieht und nebenstehend illustriert hat: die "Choucroute marinière", bei der das feine Kraut mit geräuchertem Fisch und einer satten "Beurre blanc"-Sauce kombiniert wird. Den feinen, heiß geräucherten Kabeljau (Haddock genannt) gibt es bei uns nicht, mit einer Kombination aus Bückling, heißgeräuchertem Lachs und Forelle ist man aber auch gut unterwegs.
(corti/Der Standard/rondo/10/03/2006)