Luxemburg - Das für Männer und Frauen unterschiedliche Antrittsalter für die Frühpension wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist
mit dem EU-Recht nicht vereinbar. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in einer am Dienstag veröffentlichten
Vorabentscheidung festgestellt. Eine für Alterspensionen mögliche Ausnahme von der Gleichbehandlung sei in diesem Fall nicht möglich, weil
die Leistung zwar vom Alter abhängig sei, aber nur gewährt werde, wenn Personen als Folge von Krankheit oder anderer Gebrechen bzw.
Schwächen nicht mehr im Stande seien, ihren Beruf auszuüben, so eine Presseaussendung des EuGH.
1996 erst abgeändert
Das unterschiedliche Antrittsalter für Frühpensionen wegen verminderter Erwerbsunfähigkeit gilt erst seit 1996. Zuvor lag es für Männer und
Frauen einheitlich bei 55 Jahren, seit September 1996 liegt die Grenze für Männer bei 57 Jahren. Dagegen hatten 13 Männer in Österreich
geklagt. Das Verfahren liegt derzeit beim Obersten Gerichtshof (OGH), der den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.
Die Bundesregierung plant unterdessen, die Frühpension wegen verminderter Erwerbsfähigkeit noch vor der Pensionsreform überhaupt
abzuschaffen. Ein entsprechender Antrag wurde für Donnerstag für die Sitzung des Sozialausschusses des Parlaments angekündigt.
Urteil zeitlich nicht begrenzt
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur EU-Rechtswidrigkeit des für Männer und Frauen unterschiedlichen Antrittsalters für
die Frühpension wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist zeitlich ausdrücklich nicht begrenzt. Österreich hatte beim EuGH einen
Rückwirkungsausschluss beantragt, dem aber nicht statt gegeben wurde. Denn Österreich habe die Rechtsprechung des Gerichtshofes in
dieser Materie bei Erlass der Regelung gekannt, betont der EuGH in seiner Presseaussendung.
Ein weiterer Grund für die Ablehnung des Rückwirkungsausschlusses ist laut dem EuGH die Tatsache, dass die finanziellen Konsequenzen,
die sich aus dem Urteil ergeben, für sich allein nicht eine zeitliche Begrenzung der Wirkung rechtfertigen würden.
Budgetziele rechtfertigen keine Diskriminierung
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) weist auch
darauf hin, dass Budgetgründe allein keine Diskriminierung rechtfertigen. Österreich habe nicht genügend Argumente dafür vorgebracht, dass
zwischen den betroffenen Systemen der sozialen Sicherheit eine finanzielle Abhängigkeit bestehe.
Ungleichbehandlungen seien laut Gemeinschaftsrecht nur dann zulässig, wenn sonst das finanzielle Gleichgewicht des sozialen Systems
insgesamt gefährdet wäre oder eine Ungleichbehandlung nötig wäre, die Kohärenz zwischen dem System der Alterspensionen und der
anderen Leistungen zu gewährleisten.
Einen direkten Zusammenhang zwischen dem Mindestalter für die Pension wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und der normalen
Alterspension sieht der EuGH nicht. Denn der Unterschied bei den Altersgrenzen liege für Frauen bei fünf Jahren (55 - verminderte
Erwerbsfähigkeit, 60 - Alterspension), für Männer nach der in Österreich geltenden Regelung aber bei acht Jahren (57/65).
(APA)