Wien - Politologen zweifeln nicht an einem Sieg von Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei den Präsidentenwahlen am 19. März in Belarus (Weißrussland). Und zwar auch ohne Wahlmanipulation. Hans-Georg Heinrich, ein Politikwissenschaftler und Russland-Kenner, sowie die russische Politologin Ludmilla Lobova erklärten ihre Einschätzung am Mittwoch in einer Pressekonferenz in Wien mit vier Faktoren.

Die Erwartungen der Experten gründen demnach auf der günstigen Wirtschaftslage in Belarus, auf der staatlichen Kontrolle der Massenmedien, den fehlenden Alternativen zu den präsidialen Institutionen sowie der Tatsache, dass die Opposition über keine eigenständige wirtschaftliche Basis verfügt. Viele Belarussen werden laut Heinrich Lukaschenko wählen, weil es ihnen besser geht als der Bevölkerung anderer Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Belarus sei stabil. Viele Menschen hätten zudem Angst, ihren Job zu verlieren, wenn sie "falsch wählen". Außerdem fehle die demokratische Erfahrung.

Lukaschenko würde sich auf Grund dieser Fakten also auch ohne Wahlmanipulationen gegen die drei weiteren Kandidaten - Alexander Milinkewitsch, der zehn Parteien und 200 Organisationen vertritt, Sergej Gaidukewitsch, den Vorsitzenden der Liberaldemokratischen Partei sowie Alexander Kozulin, den Chef der Sozialdemokratischen Partei (Hramada) - durchsetzen. Wahlfälschungen werden aber dennoch erwartet. "Zu freien und fairen Wahlen gehört viel Erfahrung", sagte Heinrich. Eine neue politische Generation müsse erst heranreifen.

Experiment

Belarus sei ein Experiment, so Heinrich. Die Wirtschaftsdaten (hohes Wachstum, relativ geringe Verarmung und relativer Wohlstand) scheinen Lukaschenko Recht zu geben. Niedrige Energiepreise und ein privilegierter Zugang zum russischen Markt gäben den Ausschlag dafür. Doch das Verhältnis zu Russland sei nicht spannungsfrei. Der autoritär reagierende Präsident ist zudem in europäischen Ländern kein gern gesehener Gast. Und die USA betrachten Belarus als "die letzte Diktatur Europas".

Das Experiment Belarus funktioniere, trotz der "Politik der Isolation", analysierte Heinrich. Die Frage sei nur, wie lange. Belarus kopple sich von globalen Trends ab: Keines der Ereignisse wie die NATO- und EU-Erweiterung oder die Demokratisierungsprozesse in Europa haben einen Anstoß zu einer Transformation des weißrussischen Regimes gegeben.

Revolution nicht unbedingt zu erwarten

Eine demokratische Revolution wie in der Ukraine sei daher nach der Präsidentschaftswahl nicht unbedingt zu erwarten, waren sich Heinrich und Lobova einig. Doch alles sei möglich, so Lobova. Sie verwies auf Oppositionsführer Milinkewitsch, der in einem halbstündigen Fernsehauftritt bereits angekündigt hat, im Fall von Wahlfälschungen zu Demonstrationen aufzurufen. Eine eventuelle "Revolution" habe jedenfalls jetzt schon einen Namen: die "Kartoffel-Revolution". Eine andere Bezeichnung, die kursiert, lautet "Jeans-Revolution".

Verschiedenen Zukunftsszenarien für Belarus sind Thema eines Forschungsprojekts des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), das die beiden Politologen nun starten. Dabei gehen sie der Frage nach, unter welchen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen und wie lange die derzeitige Strategie von Belarus erfolgreich sein wird. Ziel sei es, Erfahrungen und Erkenntnisse zu sammeln, die zu einer konsistenteren und kohärenteren Politik der EU gegenüber dem osteuropäischen Land beitragen könnten, erklärte Heinrich. Das Projekt soll bis Juni 2008 laufen. (APA)