Foto: melange.at
Mit Kaffee haben wir, die Redaktion von "The Message", Erfahrung. Dieses Pulver lässt nicht nur leblose Schreiberlinge auferstehen, es kann sogar highly explosive sein.

Für die Küchenausstattung unseres Büros musste eine alte, klapprige Kaffeemaschine herhalten. Während ich mich wieder einmal mit Gerd übers Wetter unterhielt, ließ uns eine ungeheure Detonation in der Küche zusammenzucken. Nach einer halben Schreckminute befreite sich ein kaffeebrauner Kollege Daniel aus den Rauchschwaden.

Die Frage war dann nur mehr: Wer traut sich denn heute, dieses böse, böse Ungeheuer zu bezwingen? Achtung, Atomspaltung - Schutzanzug erforderlich!

Dennoch gesellte sich die todesmutige Belegschaft von "die melange" für einige Zeit zu uns ins Büro. Bei "die melange" handelt es sich laut Eigendefinition um "das Magazin für Wiener Alltagskultur", auf eine klassische Twentysomething-Leserschaft zugeschnitten und mit einem gelungenen, elegant-schlichten Erscheinungsbild versehen, das sich angenehm von der Sperrigkeit der Texte abhebt.

"Wiener Alltagskultur" wäre ja ein ganz gutes schreiberisches Bewegungsfeld, solange es sich nicht nur um eingehende Studien von 4.-Bezirk-BoBoismen oder das zweihundertste Porträt einer Modeschulabsolventen-Hinterhofmanufaktur handelt. Solche unausweichlichen Themen gießt uns bereits die geschätzte Wiener Stadtzeitung reichlich in die Tasse.

Überschriften und Aufhänger der Storys versprechen spannendes Lesevergnügen, nach längstens zweieinhalb Zeilen muss man aber resigniert aufgeben. Selten hat eine Zeitung so wenig Zeit zum Durchblättern und Nicht-gelesen-Werden beansprucht. Das ist aber nicht so schlimm, denn das war bei den letzten Ausgaben der verblichenen englischen Lifestyle-Bibel "The Face" genauso.

Zu viel Hirnlastigkeit macht Lesen ungenießbar. Eine Wiener Spezialität, wie "die Melange". "Herr Ober, an klanen Mokka, bitte!"

Selbst ein anregendes Thema wie Sex wird hier spröde zerdenkt (sic!) und zerschrieben, dass es eine Freude ist: "Die Eigenheit des Menschen, sich durch gesprochene und geschriebene Sprache auszudrücken, ist genauso selbstverständlich wie die, sich durch Sex zu Lust, Spaß und Fortpflanzung zu verhelfen." So Blumiges wäre uns zum Thema "Schreiben und Sex" sicher nicht eingefallen.

"Wiesenfick"

Ein Essay mit dem viel versprechenden Titel "Wiesenfick" lässt einem nach kurzer Einleitung mit Sätzen wie "Besser ein wenig schwarzes, gestocktes Blut, das die Leidenschaft anheizen konnte, wir waren ja sowieso schon müde von der Sonne, als die glattgedrückte Watte einer durch und durch synthetischen Slipeinlage" die Lust auf romantischen Outdoor-Sex lebenslänglich vergehen.

Ähnlich spritzig wird hier ein musikkulturelles Thema wie Deejaying abgehandelt. Das Berliner Vice-Magazin schreibt dazu: "Rate mal, was Auflegen ist: die größte verdammte Verarschung aller Zeiten!" - richtig so. "die melange" zermartert sich im Gegensatz dazu das Hirn: "Kann man den DJ sinnvoll in das Korsett des Urheberrechts zwängen?"

Der Verdacht: eine Zeilen gewordene Renaissance der bleiernen ORF-Jugendsendung "Baustelle", und der Kaffeeanteil muss ein Stückchen Pocket Coffee sein, das sich in Hektolitern lauwarmer Milch verirrt hat.

Unsere Küche ist mittlerweile mit einer modernen, weniger lebensgefährlichen Kaffeemaschine bestückt, die Koffeinsucht ist aber die gleiche geblieben: We like it highly explosive! Manchmal darf es aber natürlich auch eine Melange sein. (DER STANDARD; Printausgabe, 16.3.2006)