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Standard.at : Wie bist du dazu gekommen, dich mit Schüleranliegen auf Europaebene zu beschäftigen?

Dib: Ich war zuerst viele Jahre in der AKS, vor eineinhalb Jahren bin ich dann zur Obessu gekommen. Wir behandeln ein sehr breites bildungspolitisches Spektrum, wir haben vier oder fünf Konferenzen pro Jahr, die verschiedenen Themen gewidmet sind. Darunter sind beispielsweise Gender und Schule oder die europäische Bildungspolitik. Die aktuelle Konferenz befasst sich mit den unterschiedlichen pädagogischen Methoden.

derStandard.at: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit bei Obessu?

Dib: Das gibt es viele Punkte. Wichtig finde ich, dass man lernt, über den Tellerrand hinauszuschauen. Man lernt viele Menschen aus anderen Ländern kennen, man knüpft Kontakte. Interessant ist es, die Bildungspolitik der einzelnen Länder zu vergleichen - das differenzierte Schulsystem Österreichs stößt beispielsweise bei den meisten auf totale Verwunderung, weil in vielen europäischen Ländern die Gesamtschule längst gang und gäbe ist. Man lernt, in europäischen Dimensionen zu denken, es erweitert den Horizont.

derStandard.at: Was sind eure wichtigsten Wünsche oder Forderungen?

Dib: Einer der Grundgedanken ist "Bildung für alle". Das ist in letzter Zeit etwas in Vergessenheit geraten. Das öffentliche Bildungssystem muss eine hohe Qualität haben, und es muss für jeden zugänglich sein. Hier geht die Entwicklung momentan in die falsche Richtung, finde ich.

derStandard.at: Gibt oder gab es Erfolgserlebnisse?

Dib: Ja, es gibt immer wieder Schritte vorwärts. Zum Beispiel haben wir mitgeholfen, am Balkan Schülerorganisationen mitaufzubauen. Als einen großen Erfolg, an dem wir zumindest mitbeteiligt waren, kann man die Streichung des Bildungsbereiches aus der Dienstleistungsrichtlinie sehen.

derStandard.at: Fühlt ihr euch ausreichend eingebunden in Entscheidungen?

Dib: Nein, mit Sicherheit nicht. Gerade auf EU-Ebene erfahren wir sehr oft erst im Nachhinein von Entscheidungen. Wir haben so gut wie keine formale Möglichkeit, mitzureden, keine Repräsentanten, nur ab und zu sind wir als Lobbyisten eingeladen. Im Europarat haben wir beispielsweise einen Sitz im Beratungsgremium zu Jugend und Bildung, das wäre natürlich auf EU-Ebene auch wichtig.

derStandard.at: Warum diese Probleme - haben Schüler eine schlechte Lobby in der EU?

Dib: Es ist tatsächlich so. Man wird oft nicht wirklich für voll genommen, das ist sozusagen das tägliche Brot einer Jugendorganisation. Außerdem werden Prioritäten falsch gesetzt. Es ist beschämend, wenn man sich im Vergleich das Budget für Agrarorganisationen und Bildung ansieht. Dabei sollte eigentlich klar sein: Bildung steht am Anfang jeder sozioökonomischen Entwicklung eines Landes, und das gilt für alle Länder.

derStandard.at: Findest du, dass man in Österreichs Schulen genug über die EU lernt?

Dib: Nein, sicher nicht, zumindest war das vor vier jahren noch so, als ich in der Schule war. Wir haben nur den Aufbau der EU-Organe im Groben gelernt. Das ist ein echtes Versäumnis, weil es wirklich enorm wichtig wäre, mehr über andere Länder zu lernen. Das würde auch helfen, Vorurteile abzubauen, die Angst vor einem EU-Beitritt der Türkei zu nehmen. Man müsste in der Schule ansetzen, um mehr kritisches Bewusstsein zu schaffen.

Standard.at: Wie wird sich Europa deiner Ansicht nach entwickeln? In Richtung eines Bundesstaates wie die USA? Oder zerbricht die EU?

Dib: Weder noch, glaube ich. Dass sich Europa zu einem einzigen Staat entwickelt, bezweifle ich, dazu ist noch zu viel nationales Bewusstsein in den einzelnen Ländern da. Das wird sicher nicht so schnell völlig verschwinden. An ein Zerbrechen glaube ich allerdings auch nicht.

Allerdings wäre es für die EU wichtig, sich mehr in Richtung einer Sozialgemeinschaft als in die einer Wirtschaftsgemeinschaft zu entwicklen. Diese Tendenz hin zur Wirtschaftsgemeinschaft ist momentan stark vorherrschend, eine Orientierung, die ich kritisch sehe.