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Es gibt zwei Möglichkeiten, sich Peter Handkes gelegentlichen Einlassungen auf die Politik mit der gebotenen Vorsicht anzunähern: Die einen trennen das erzählerische Werk des aus Kärnten gebürtigen Dichters strikt von dessen politisch-ideologischen Verlautbarungen. Diese, argumentieren sie, atmeten den Geist einer aus der poetischen Anschauung gewonnenen Parteilichkeit, seien aber im Übrigen als die Schrullen eines Widerborstigen anzusehen, der das hohe Künderamt des Dichters um den Preis der Zwangsoriginalität ausübe.

Die anderen schlagen Handkes unbeirrbares Eintreten für Serbien und Milosevic gleich ganz seiner Poetik zu. Handke (63) hat, parallel zu seinem imposant angeschwollenen Prosawerk, eine Philosophie des vorurteilslosen Blicks entworfen, die sich gegenüber allen "politischen" Begriffsbildungen als vorgängig und verblendungsresistent versteht.

Des Autors Idee, sich als Überraschungsgast anlässlich einer Grabrede für Slobodan Milosevic wiederum so schöner, allgemeiner Trostworte wie des "Nähe"-Gefühls zu bedienen, passt lückenlos in Handkes Programm: Der Dichter kündigt nur zu gern liberaldemokratische Übereinkünfte auf, wenn er dafür das Glück einer "wahren", in letzter Konsequenz tieferen Empfindung zu erleben meint. Er kenne die "Wahrheit" auch nicht, so Handke vorgestern in Pozarevac: "Doch ich blicke herum, höre zu, empfinde, erinnere mich."

Dass jeder Blickmechanismus Auslassungen kennt, Borniertheiten hat und Blindstellen - von solchen Einschränkungen lässt sich Handkes Engagement für Serbien nicht ankränkeln. Schon sein umstrittener Bericht Eine winterliche Reise . . . (1996) gipfelte in dem Ausbruch: "Gerechtigkeit für Serbien". Handke besuchte 2004 den Den Haager angeklagten Milosevic zu ausgiebigen Konsultationen in dessen Zelle. Die Nato-Intervention im Kosovokrieg 1999 münzte er schwer erträglich in "ein neues Auschwitz" um.

Dabei steht Handkes Dichterarbeit seit je unter dem Zeichen der Friedfertigkeit - jüngere Romane wie Mein Jahr in der Niemandsbucht und Der Bildverlust stellen ein vielfach faszinierendes Einvernehmen mit archaischen Lebensmodellen und -mustern wieder her. Der in der Nähe von Paris ansässige Autor, Enkel eines Slowenen, selbst Vater von zwei Töchtern aus zwei Ehen, hat jedenfalls einen weiten, verschlungenen Weg zurückgelegt: vom jugendlichen Empörer, der 1966 in Princeton den manierlichen Kollegen der Gruppe 47 den Vorwurf der "Beschreibungsimpotenz" machte - hin zum Verkünder einer einzig poetisch zu beglaubigenden Weltsicht, der sich gewisse politische Einsichten mit dem gespitzten Bleistift vom Leib hält.

Wegen des Nato-Bombardements gab Handke 1999 den Georg-Büchner-Preis zurück. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.3.2006)