Der Leidensweg beginnt oft an einem schönen Wintertag auf der Skipiste. Entweder ist der Übermut zu groß, der Ski zu schnell oder die Muskelkraft nicht ausreichend, manchmal ist es aber einfach nur Pech. Auf Österreichs Skipisten passieren laut Gesellschaft für Unfallchirurgie 80.000 Unfälle jährlich, bei rund der Hälfte aller Verletzungen sind die Knie betroffen. Was dabei passiert? Der Körper gerät beim Sport oft unvermutet ins Ungleichgewicht, wenn der Fuß dabei auf dem Boden blockiert ist und der Körper darüber wegdreht: Das Kniegelenk hält dieser Kraft nicht mehr stand. In der Folge wird das Gelenk auseinander gerissen. Die möglichen Verletzungen sind variantenreich.

"Ein verletztes Knie muss so schnell wie möglich zum Arzt", weiß Reinhard Weinstabl, Unfallchirurg und Sporttraumatologe in Wien. Eine Reihe von Verletzungen lässt sich nämlich am allerbesten sofort operieren. Wer nach einem Sturz mit einem Seitenbandriss davonkommt, hat sogar noch Glück gehabt, denn die hanfseilähnlichen Seitenbänder wachsen in den meisten Fällen von allein wieder zusammen.

Das genaue Gegenteil ist beim Meniskus der Fall. Als "unhappy triad" bezeichnet Peter Valentin, Unfallchirurg und Sportarzt, die Variante, bei der Seitenband, Kreuzband und Meniskus gleichzeitig zu Schaden kommen. "Bei jeder Operation und therapeutischen Maßnahme nach einer Verletzung geht es darum, das Knie wieder so zu reparieren, dass das feine Zusammenspiel seiner Elemente und damit die uneingeschränkte Funktionstüchtigkeit wieder hergestellt werden", erklärt Valentin, der sich auf Kreuzbandplastik spezialisiert hat. Seine Hightech-Operationsmethode: Ein Computerprogramm unterstützt ihn.

"Jedes Knie ist nicht nur in der Anatomie, sondern auch in seinem Roll-Gleit-Mechanismus individuell", sagt Valentin, dem das von B. Braun entwickelte Computersystem Aeskulap nicht nur dabei hilft, das Knie auf Hundertstelmillimeter genau zu vermessen, sondern im Vorfeld auch die Stellung und Achse des Beins in seine Berechnungen einzubeziehen und anatomische Schlüsselpunkte zu ermitteln. Zudem werden sogar beugende und streckende Bewegungen registriert und miteinkalkuliert.

Computerunterstütztes Operieren erleichtere die Arbeit des Chirurgen nur sehr bedingt, meint Weinstabl. "Bei Knieverletzungen gibt es niemals dogmatische Entscheidungen", sagt er, was zähle, seien einzig und allein Erfahrung und ein tiefes anatomische Grundverständnis von Dreidimensionalität. "Ein operierender Arzt sollte hunderte Male assistiert haben, bevor er zum ersten Mal selbst operiert. Erst dann weiß er, worum es geht", so Weinstabl.

Kreuzbandplastik

"Ein voll funktionstüchtiges Knie braucht intakte Kreuzbänder", sagt Peter Valentin, der anders als Weinstabl davon überzeugt ist, dass schon zur Vermeidung zukünftiger Gelenkknorpelschäden ein Kreuzbandriss grundsätzlich operiert werden sollte.

Doch Kreuzbänder lassen sich nicht zusammennähen, vielmehr müssen sie durch ein Transplantat aus Sehnen ersetzt werden. Weil der eigene Körper immer das beste Ersatzteillager ist, haben sich Patella-Sehne (zwischen Kniescheibe und Unterschenkel) oder die Semitendinosus und Gracilis-Sehne aus dem Oberschenkel als probater Ersatz erwiesen. Für die Entnahme der Patella-Sehne hat Weinstabl sogar eine eigene Technik entwickelt. "Oft hatten die Patienten ja durch die Entnahme der Patella-Sehne gerade dann am nicht verletzten Knie Schmerzen", erklärt er.

Und Valentin weiß: "Je trainierter der Patient ist, umso besser sind auch seine Sehnen." Um sie neu spannen und damit die Stabilität des Knies wiederherstellen zu können, muss ein Kanal durch Oberschenkel- wie auch durch den Unterschenkelknochen gebohrt werden. "Die Ziellehre ist bei der Kreuzbandplastik der Knackpunkt, es geht darum herauszufinden, in welchem Winkel der Kanal gebohrt werden muss und wo genau die Sehne dann aus dem Knochen kommen soll", erklärt er und erzielt mit PC und seiner Erfahrung - Valentin hat in den letzten Jahren mehr als 1500 Knie operiert - gute Ergebnisse. So hätte er, sagt Valentin, 96 Prozent seiner Patienten auf ihr sportliches Ausgangsniveau zurückbringen können.

Solche Zahlen sind viel versprechend. Trotzdem: "Mit einem Computerprogramm allein ist es niemals getan, auch wenn die Fortschritte beträchtlich sind", sagt Weinstabl und setzt auf Erfahrung. Sein Rat: Wer viel Sport treibt, sollte vorsorgen und sich im Falle einer Knieverletzung immer sofort um einen Spezialisten bemühen. (Karin Pollack/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 3. 2006)