Die Entstehungsgeschichte dieses Buches ist etwas ungewöhnlich. Der Norweger Nils Johan Ringdal, ein Historiker und Soziologe, begleitete seinen Lebensgefährten, der als Arzt im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO Untersuchungen zu Aids unternahm, viele Jahre auf dessen Reisen. Dabei versuchte Ringdal die gering, aber doch vorhandene Aktenlage über Prostitution zu untersuchen. Und er führte Gespräche mit Prostituierten - als Homosexueller hatte er unvoreingenommenen Zugang zu dem Personenkreis.

So entstand ein Buch, das historisch ist und bis in die Gegenwart reicht. Interessant dabei ist besonders der (große) Teil ab der Zeit des Kolonialismus. Die Rolle des weißen Mannes ist dabei keine glanzvolle. Wenn es in den kolonialen Anfängen eine Form von Prostitution gab, wie etwa in Afrika, die den Frauen eine gewisse finanzielle Selbstständigkeit erlaubte, wurde diese durch viktorianische Glaubensgrundsätze oder christlich-missionarischen Eifer zunichte gemacht. Während Kriegszeiten ist Prostitution Bestandteil der militärischen Hierarchien; um Geschlechtskrankheiten vorzubeugen.

Immer ist das Gewerbe im historischen und sozialen Umfeld zu sehen. - Zu den Formen der Gegenwart - Sextourismus, Mädchenhandel, Callgirlringe - hat Ringdal Ansichten, die dem Mainstream entgegenstehen. Das Sexgewerbe im Fernen Osten sei nur zu einem Bruchteil vom Westen bestimmt, erklärt er, das Gros der Nachfrage komme aus Asien. Das Phänomen sei aber viel zu wenig untersucht; die Diskussion darüber moralisierend und nicht von Fakten geprägt. Auch das ist historisch determiniert. Wenn sich Organisationen dafür interessierten, dann untersuchten sie das Los der weißen Frau. (Johanna Ruzicka/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 3. 2006)