Lagen ein halbes Jahrhundert im Depot: Skelettreste von "Götzi", einem vor rund 9.500 Jahren im Rheintal verstorbenen Kind.

Foto: Sonja Laus
Bregenz - Sonja Laus freut sich riesig. Die Studentin am Institut für Archäologie der Universität Innsbruck fand für ihre laufende Diplomarbeit den bisher "ältesten Menschen aus Vorarlberg, der unter einem mächtigen Felsüberhang um 7500 vor Christus bestattet worden war".

Bei den fossilen Überresten des Kindes handle es sich somit um "das älteste menschliche Skelett aus der Mittelsteinzeit in Österreich" und gleichermaßen um den zweitältesten Österreicher überhaupt - nur bei Krems in Niederösterreich gefundene Kinderskelette sind mit rund 25.000 Jahren noch älter. Da das Vorarlberger Skelett nahe dem Ort Götzis gefunden wurde und um gut 4000 Jahre älter ist als Südtirols Gletscherleiche "Ötzi", wurde auch schon ein passender Name für das damals vermutlich im Alter von sechs Jahren verstorbene Kind gefunden: "Götzi".

Ausgegraben wurden die alten Knochen jedoch nicht von der oberösterreichischen Studentin, sondern von Archäologen - bereits im Jahr 1952. Seitdem lagen sie mit vielen anderen Fundstücken im Depot des Vorarlberger Landesmuseum. Bis vor Kurzem. Sonja Laus nämlich bearbeitet das gesamte archäologische Fundmaterial und unterzieht es an der Innsbrucker Uni für ihre Diplomarbeit einer Altersbestimmung mit der C-14-Methode. Dabei stellte sie das sensationelle Alter der Knochen fest. Und noch mehr.

Unter den Felsüberhängen des Kummenbergs, der Fundstelle, wurden insgesamt 33 menschliche Knochenreste geborgen, die von bis zu 13 Individuen stammen könnten - was derzeit noch untersucht wird. Interessant dabei sind Schnittspuren, die von der scharfen Kante eines Steingerätes stammen. Da nur Einzelteile der Skelette gefunden wurden, nicht jedoch komplette, dürfte es sich um so genannte Teilbestattungen gehandelt haben - die Leichen wurden von Hinterbliebenen zerstückelt, die Teile an verschiedenen Orten bestattet: eine in der Steinzeit relativ häufig gepflegte Form der Bestattungsmethode, die auf rituelle Handlungen hinweist.

Eine Besiedlung der Gegend rund um den Fundort am Fuße des Kummenbergs mitten im Rheintal ist von der Mittel-und Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit belegt (8. bis 2. Jahrtausend v. Chr.). Unter den Felsüberhängen entwickelten sich in der Steinzeit jedoch keine durchgehenden Siedlungsplätze, sondern saisonal aufgesuchte Lagerplätze. In der Mittelsteinzeit waren dies Basislager, zu denen die Menschen aus vorwiegend ökonomischen Gründen immer wieder zurückgekehrt sind, wie Fundstücke belegen. Bedingt durch die Eiszeit gehörte der Fundort damals zum Uferbereich des vermutlich fischreichen Rheintalsees.

Einen vielleicht Aufsehen erregenden Fund, der "Ötzi" ebenfalls Konkurrenz machen könnte, haben auch Südtiroler Archäologen nahe Bozen gemacht: ein Frauenskelett, das 6000 bis 7000 Jahre alt sein könnte - die Altersbestimmung steht aber noch aus. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 3. 2006)