Wo wir unser Glück suchen, wie wir unsere Karrieren angehen, mit wem wir uns vernetzen, was wir kaufen, was wir für passend halten: Alles ist getrieben vom Selbstbild. Und das wiederum, so sagen Psychologen, ist geprägt von Selbstüberschätzung. So glauben etwa 80 Prozent der Autofahrer, zu den besten fünf Prozent auf der Straße zu gehören. Die meisten Menschen, so eine sozialpsychologische Studie im aktuellen Psychologie heute, halten sich auch für überdurchschnittlich sensibel, nachdenklich und gefühlvoll. In einer Studie unter US-Professoren (ebendort veröffentlicht) sagen 94 Prozent, dass sie "Überdurchschnittliches leisten".

Überzogener Optimismus und die Illusion der Überdurchschnittlichkeit dürften demnach auch die zentralen Gründe sein, warum am Selbstbild niemals gerüttelt wird. Je dümmer und inkompetenter, so Psychologe David Dunning, desto schlechter sei auch die Fähigkeit ausgeprägt, sich selbst und seine Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Er prägt dafür das Bonmot der "selig machenden Ignoranz". Dazu gehört die hartnäckige Verweigerung der Auseinandersetzung mit Feedback. Wenn man es überhaupt ehrlich bekommt, was ja mit zunehmender Höhe der Funktion immer seltener wird.

Das erhellt den Blick auf die Pleitenstatistik und hilft bei der Beantwortung der Frage, warum es Firmenlenkern so erstaunlich oft gelingt, Eigenkapital bis ins Minus zu verbrauchen, in der Karibik auf wundersame Geldvermehrung zu setzen und Entscheidungen zu treffen, die vernichtende Folgen für die Unternehmen und ihre Jobs haben. Es gibt eben viele Möglichkeiten, überdurchschnittlich zu sein. (Der Standard, Printausgabe 25/26.3.2006)