Kammersängerin Edita Gruberova plauderte bei der Siemens Academy of Life aus ihrem Leben. Von ganz unten bis an die internationale Opernspitze ging ihr Weg. Laut Opern-Experte Peter Dusek "eine Aschenputtel-Karriere".
"Unser Pfarrer meinte, ich müsse Opernsängerin werden, und ich hab's ihm versprochen", erinnert sich Edita Gruberova an ihre Kindheit. In Wirklichkeit hatte sie damals von der Oper keine Ahnung, träumte eher vom Schauspiel.
Gruberova, die Mittwochabend Gast der Siemens Academy of Life im gefüllten Siemens-Forum war, fand in Gesprächspartner Peter Dusek einen großen Fan. Dem Präsidenten der Freunde der Wiener Staatsoper (an der die Diva 1976 ihren internationalen Durchbruch schaffte: als Zerbinetta in Richard Strauss' "Ariadne auf Naxos") offenbarte sie gerne ihr Leben.
Schon im Kinderchor brachte es Gruberova zu Rundfunkauftritten und glänzte als Solistin. Das Lob der Verwandtschaft, die bis dahin nach den ersten Arienklängen das Radio abgedreht hatte, beflügelte die junge Edita weiter. Ab dem 15. Lebensjahr studierte die 1946 im slowakischen Raca Geborene Klavier und Gesang, das erste Engagement war die Violetta in Verdis "La Traviata", am Opernhaus Banskà Bystrica.
"Hier bin ich ein Star ..."
Nachdem ihre Studienpläne für Leningrad mit dem sowjetischen Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 platzten, begnügte sich Gruberova mit den Erfolgen in der Heimat. Das Vorsingen in Wien, das man ihr im Folgejahr nahe legte, nahm die Sopranistin nur widerwillig wahr. "Ich dachte mir: Hier bin ich ein Star, aber dort kann ich mir die Oper höchstens von außen anschauen." Von ihrer Königin der Nacht (aus Mozarts "Zauberflöte") zeigte man sich aber im Gegenteil beeindruckt. Bald hatte Gruberova einen 12.000-Schilling-Vertrag und trug besagte Rolle Anfang 1970 den Wienern vor.
Im Frühjahr 1971, vor der Geburt der ersten Tochter, zog sie ganz nach Wien. "Ich hatte gehört, dass es aus wäre, wenn das Kind kommt. Dass immer eine von uns in der Slowakei bleiben müsse. Also sagte ich mir: nichts wie weg." Gemeinsam mit der kranken Mutter, dem arbeitslosen Mann und der Neugeborenen "waren dann die 12.000 Schilling auf einmal nicht mehr so viel Geld". Zudem blieben die großen Jobangebote aus. "Das hat mich sehr deprimiert."
Als Rettung erwies sich Kammersängerin Ruthilde Bösch, die Gruberova "eine völlig neue Technik verpasste: Das war, wie wenn man vom Auto aufs Flugzeug umsteigt." Bösch verhalf ihr mit einem Brief an Kanzler Kreisky, der Gruberova 1974 die österreichische Staatsbürgerschaft verschaffte, zur Überwindung der vertraglichen "Ausländerklausel". Aufgrund dieser üblichen Regelung hatte sie mit Absagen rechnen müssen, wenn ein "adäquater österreichischer Ersatz" auftauchte.
Der Rest ist Operngeschichte: Nach dem Erfolg der Strauß-Inszenierung 1976 bespielte Gruberova alle namhaften Häuser der Welt, wirkte an Opernverfilmungen mit. Und wenn sie, die ihren Wohnsitz aus steuerlichen Gründen – "Ich hatte fast 70 Prozent an Abgaben" – Mitte der 80er-Jahre nach Zürich verlegte, heute im "geliebten" Wien auftritt, setzt sich Staatsoperndirektor Ioan Holender gar über alle Regeln hinweg: Laut Experte Dusek ist Gruberova die einzige Künstlerin, die Holender rein konzertant auftreten lässt. (Bernhard Madlener, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26.3.2006)