DDass ausgerechnet zwei der ärmsten Länder der Welt, Äthiopien und Eritrea, Krieg führen, erscheint Beobachtern in Europa vielfach unverständlich, wenn nicht gar zynisch.

Verschiedene Entwicklungen beider Gebiete seit der Kolonisierung des heutigen Eritrea durch Italien sind der Ausgangspunkt. Nach dem zweiten Weltkrieg wird aus der geplanten Konföderation beider Staaten eine Annexion Eritreas durch Äthiopien. Resultat ist ein jahrzehntelanger Unabhängigkeitskampf gegen Kaiser und Militärdiktatur, der die Beziehungen vergiftet und das Trennende vertieft.

1991 kommt es zu einem hoffnungsvollen Neuanfang. Die beiden Rebellenbewegungen Äthiopiens haben gerade mit vereinten Kräfte das finstere Mengistu-Regime in einem jahrelangen Buschkampf besiegt. 1993 wird Eritrea nach einem Referendum in die Unabhängigkeit entlassen. Äthiopien reduziert die Militärausgaben drastisch und vollzieht eine Umschichtung der Staatsausgaben in Richtung Infrastruktur und sozialen Sektor.

Es folgt ein vorsichtiger wirtschaftlicher Öffungsprozess, der selbst von namhaften Weltbankexperten als beispielhaft bezeichnet wird. Die Wirtschaftswachstumsraten bewegen sich bei 6-7%, die Inflation ist einstellig, und zum ersten Mal entsteht ein gewisser Optimismus, dass dieses Land es schaffen könnte, sich aus dem Kreislauf von Armut und Hunger zu befreien.

Äthiopien wird 1996 ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Die Arbeit konzentriert sich vor allem auf das Gebiet der landwirtschaftlichen Entwicklung, Armutsbekämpfung, sowie Gleichstellung von Mann und Frau.

1998 folgt die Ernüchterung. Eritrea besetzt Teile des umstrittenen Grenzgebietes. Dieser neue Konflikt hat weitreichende Folgen. Die Verteidigungsausgaben Äthiopiens schnellen wieder nach oben, der Sinn der ganzen Zusammenarbeit scheint in Gefahr zu sein.

Genährt wird der Konflikt außerdem durch eine unbeugsame Haltung in puncto Unabhängigkeit und Unantastbarkeit der Souveränität. Vor kurzem noch sehr nützlich in der Abwehr des Kolonialismus (Äthiopien war nur kurze Zeit von Mussolini-Italien besetzt), bei der Definition von afrikanischem Selbstverständnis und in diesem Zusammenhang sehr akklamiert, wirkt dieser Mechanismus vor dem Hintergrund der gewaltigen sozialen und wirtschaftlichen Probleme beider Länder aber bestenfalls wenig zeitgemäß.

Verhinderung des Missbrauchs

Die Geberländer reagieren ebenfalls reflexartig. Die Vertreter der radikalen Richtung fordern mit moralischer Entrüstung eine sofortige Einstellung jeglicher Hilfe. Vor dem Hintergrund der Jahrhunderte langen Schieflage zwischen westlichen Ländern und Afrika (Sklavenhandel, Kolonialismus, Ausbeutung und ungerechte Handelsbeziehungen) eine sehr arrogante Einstellung. Die Wohltäter wiederum sehen nur die Hilfe für die Notleidenden um jeden Preis, ohne die politischen Verhältnisse einbeziehen zu wollen.

Eine Weiterführung der Hilfsleistungen setzt natürlich voraus, dass von vornherein sichergestellt ist, dass keine Hilfe missbräuchlich verwendet werden kann, also in die Kriegskasse umgeleitet wird. Dies wurde schon in der Vergangenheit von Österreich mit großer Sorgfalt überwacht und ist insbesondere deshalb auszuschließen, da nur Projekthilfe und keine Budgethilfe geleistet wird. Österreich unterstützt nur genau definierte konkrete Vorhaben, wie etwa die Gesundheitsfürsorge für Nomaden in der Somali-Region oder die Verbesserung der Viehzucht für die Bauern von Nord Gonder. Damit kann garantiert werden, dass die Unterstützung nur einer genau definierten Zielgruppe zugute kommt.

Langfristige Perspektiven

Die Analyse der politischen Verhältnisse muss eine mittelfristige Aussicht der friedlichen Beilegung des Konfliktes ergeben. Das scheint gegeben, denn beide Länder müssen trotz der wiederum aufgeflammten Kämpfe in ihrem eigenen Interesse diesen Krieg so schnell wie möglich beenden, um politisch und wirtschaftlich überleben zu können.

Es ist stets problematisch, über Entwicklungszusammenarbeit politischen Druck ausüben zu wollen. Zum einen da sie nur mit einer langfristigen Perspektive erfolgreich sein kann; über lange Zeit aufgebaute Vertrauensverhältnisse mit Leuten vor Ort können nicht kurzfristig abgesagt werden. Zum anderen hilft Entwicklungszusammenarbeit den Armen und das sind in aller Regel jene, die für bedenkliche Entwicklungen in ihrem Land keine Verantwortung tragen.

Die Zusammenarbeit muss daher gerade jetzt weitergeführt werden.

Leonhard Moll leitet das Koordinationsbüro für Entwicklungszusammenarbeit des Außenministeriums in Addis Abeba.