Wien – Während Ex-Bawag- Chef Johann Zwettler Montag Mittag vom Wiener Militärkommando das Ehrenzeichen "Pro Defensione" überreicht bekam, ging die Wiener Staatsanwaltschaft zum Angriff über. Der Staatsanwalt am Landesgericht Wien, Ronald Schön (er ermittelt bereits in der Causa Refco-Kredit, Anm.), beantragte am Montag gerichtliche Vorerhebungen wegen Verdachts auf Untreue gegen Zwettler und seinen Vorgänger Helmut Elsner. Und: eine gerichtliche Voruntersuchung gegen Ex-Refco-Chef Phillip Bennett und Wolfgang Flöttl.

Elsner hatte 1995 die Karibikgeschäfte mit Wolfgang Flöttl wieder aufgenommen, ihm in Summe an die 1,3 Milliarden Euro kreditiert, damit dieser seine hochriskanten Spekulationsgeschäfte für die Bawag machen konnte. Ende 2000, nachdem Elsner im ersten Quartal noch einmal 350 Mio. Euro aus dem Nostro der Bank an Flöttl überwiesen hatte, war das Debakel perfekt, der Verlust auf eine Milliarde Euro angewachsen. Der Vorstand, dem auch Zwettler als Vize angehörte, informierte Aufsichtsratspräsidenten Günter Weninger, der wiederum die ominöse Garantieerklärung des ÖGB beschaffte, die der Bawag-Führung die Erstellung der Bilanz ermöglichte.

Strafrechtlich betrachtet gibt es laut Schön zwei Möglichkeiten: Flöttl (junior) hat die Bawag-Banker getäuscht und ihnen die Kredite sozusagen herausgelockt – das wäre Betrug durch Flöttl. Haben die Gewerkschaftsbanker bei der Kreditvergabe an Flöttls Investmentgesellschaften aber auch bankinterne Vorschriften verletzt, dann haften sie wegen Untreue, Flöttl wegen Beitragstäterschaft.

DER STANDARD hält ausdrücklich fest, dass für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung gilt.

Haftbefehle beantragt

Außerdem beantragt: Haftbefehle gegen Bennett und Flöttl (beide in New York). Die Bawag selbst hat übrigens nie Anzeige gegen Flöttl – laut Präsident Weninger der Verursacher des Schadens – erstattet. "Sie hat fünf Jahre lang zugeschaut", sagt Schön. Die Befürchtung, Elsner, der die jüngsten Entwicklungen aus der Türkei beobachtet haben dürfte, wo er sich zum Golfen aufhält, könnte schwer zu fassen sein, hegt der Staatsanwalt nicht: "Mir ist in 40 Jahren nur ein einziger Verdächtiger durch die Lappen gegangen."

Abseits des Strafrechts ist interessant, ob die Verarbeitung des Karibik-Verlustes in den Bilanzen 2000 bis 2005 rechtens erfolgt ist. Sollten tatsächlich nicht werthaltige Aktiva in die Bilanzen aufgenommen worden sein, widerspräche das dem Bankwesengesetz, das dafür Strafbestimmungen vorsieht. Offen auch die Frage, ob die Wirtschaftsprüfer, die von der Garantieübernahme durch den ÖGB wussten, nicht die Aufsicht hätten informieren müssen.

Offen weiters die Frage, wie viel diese Patronatserklärung des Eigentümers wert gewesen sein kann. Denn die Garantie umfasste auch die ÖGB- Privatstiftung, in der wiederum der Streikfonds liegt, der zum beträchtlichen Teil aus Bawag-Aktien (womöglich 46 Prozent) besteht. In der Solidarität-Privatstiftung (deren Vorstand zurzeit noch Helmut Elsner ist) liegen jedenfalls 49 Prozent der Bawag-Aktien des ÖGB, fünf weitere Prozent hält der ÖGB selbst. Und: Geld, Anleihen, liquide Mittel, sowie der Rest der Pontes-Holding, in der einst Unternehmen wie Elbemühl geparkt waren. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.3.2006)