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Anja Fellerer (Katholische Jugend Österreich) ist Vorsitzende der Bundes­jugend­vertretung. Am Rande des Jugendministerrats in Bad Ischl wurde an Ministerin Ursula Haubner (BZÖ) und EU-Bildungs­kommissar Jan Figel eine "Jugenddeklaration" übergeben, die von Jugendlichen aus ganz Europa während einer Jugendkonferenz erarbeitet wurde.

APA/BERNHARD J. HOLZNER
derStandard.at: Sie haben den Jugendministerrat als "Möglichkeit für den Dialog zwischen Jugendlichen und Regierungen" bezeichnet. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen in Österreich: Werden Jugendliche von der Politik ernst genommen?

Anja Fellerer: Auf österreichischer Ebene sind wir in Kontakt mit der Ministerin. Bis jetzt hat sich aber schon gezeigt, dass das auf bestimmte Themen beschränkt ist. Wie haben zwar seit 2001 per Gesetz den Sozialpartnerstatus, dieser besteht aber nur auf dem Papier. In der Realität werden andere Sozialpartner wesentlich wichtiger genommen als wir.

Wenn es um die wirklich wichtige Themen wie im Moment Beschäftigung oder Jugendarbeitslosigkeit geht, werden wir draußen gehalten. Es hat sich einfach noch nicht durchgesprochen, dass Jugendliche auch von Themen wie Wirtschaft, Finanz- oder Arbeitsmarktpolitik betroffen sind.

derStandard.at: Als Reaktion auf die Jugenddeklaration hat EU-Bildungskommissar Jan Figel angekündigt, die Europäischen Jugendvertreter bei regelmäßigen Sitzungen zu Wort kommen zu lassen, die vor den Jugendministerreffen stattfinden sollen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Fellerer: Jede Einbeziehung von Jugendlichen ist wichtig. Dieser Jugendevent ist meistens sehr informell und es hängt natürlich sehr von den Regierenden ab, was dann mit der Jugenddeklaration passiert.

Eine Initiative, das strukturierter zu machen und zu institutionalisieren, entspricht auf jeden Fall den Forderungen der Jugendlichen. Allerdings muss man sich das noch genauer anschauen: Sind da dann nur die JugendministerInnen dabei oder bringt man das auf ein anderes Niveau? Denn JugendministerInnen sind meistens nicht diejenigen, die über die großen Dinge in einem Land entscheiden.

derStandard.at: Wie sind Jugendliche eigentlich auf EU-Ebene vernetzt?

Fellerer: Wir sind auf europäischer Ebene im Jugendforum vertreten, in dem alle nationalen Jugendvertretungen plus internationale Jugendorganisationen drinnen sind. Insgesamt wirs das Jugendforum auf europäischer Ebene mehr einbezogen, da kann man auch wirklich von Mitentscheidung sprechen. Auch ist die Situation in manchen Ländern besser als in Österreich, wo Jugendliche in Arbeitsgruppen drinnen sind und auch eine Stimme bei Abstimmungen haben, wenn es um Arbeitsmarktpolitik oder ähnliche Themen geht.

derStandard.at: Beim jüngsten Frühjahrsgipfel haben sich die europäischen Politiker dazu bekannt, bis 2010 10 Millionen Arbeitsplätzen zu schaffen (derStandard.at berichtete. Ihre Meinung dazu?

Fellerer: Das klingt ganz toll, aber wenn man ein bisschen dahinter schaut, sieht es anders aus: Schon im Jahr 1997 hat eine Beschäftigungsstrategie von der Europäischen Union gegeben, in der eigentlich wortwörtlich die gleichen Formulierungen enthalten waren, nämlich dass Millionen Jobs geschaffen werden sollen oder dass Jugendliche innerhalb von sechs Monaten einen Job kriegen soll. Das war 1997, jetzt haben wir 2006 und sie verkaufen das jetzt als das absolute Novum. Wir sind sehr enttäuscht, dass bis jetzt zu wenig passiert ist.

derStandard.at: Ebenso bekennen sich europäische Politiker dazu, Bildung zu stärken. Haben Sie das Gefühl, dass diese Ankündigungen in Österreich auch eingelöst werden?

Fellerer: Natürlich ist Bildung eines der zentralen Themen, wenn man über Jugendarbeitslosigkeit spricht. Aber das Thema Bildung in Österreich ist ein bisschen deprimierend. Unsere Forderung nach einem freien Bildungszugang für alle ist immer noch aufrecht.

derStandard.at: In Frankreich hat sich nun eine starke Protestbewegung von Jugendlichen formiert. Könnte die das ein Vorbild für Österreich sein?

Fellerer: In vielerlei Hinsicht würde ich mir fast wünschen, dass auch bei uns die Jugendlichen so aktiv sind und auf die Straße gehen. Man muss aber sagen, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich doppelt so hoch ist wie in Österreich, der Anlass also virulenter ist.

Frankreich hat aber einfach auch eine andere Streitkultur, in Österreich werden die Sozialpartner mehr einbezogen. In Frankreich machen sie sich das halt auf der Straße aus und wir erledigen das im Vorfeld. Frankreich zeigt aber auch, dass es den Dialog zwischen Jugend und Politik braucht und dass halt auch zu Ausschreitungen führen kann, wenn es den nicht gibt.

derStandard.at: Aus Ihrer Sicht gibt es also eine andere Konfliktkultur oder sind österreichische Jugendliche schwerer motivierbar, sich auf die Hinterbeine zu stellen?

Fellerer: Erstens das, es hängt aber auch mit der Schärfe der Situation in Frankreich zusammen. Allerdings hat sich auch in Österreich die Situation von Jugendlichen verschlechtert: Die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen hat sich von 2000 bis 2005 verdoppelt. Wenn jetzt lange nichts passiert und die Jugendarbeitslosigkeit weiter steigt, kann ich mir schon vorstellen, dass auch unsere Jugendlichen bereit sind, sich auf die Straße zu bewegen. Ich würde mir auf alle Fälle wünschen, dass die wir lauter sind. (sof)