Freilich werden dabei bisweilen rechtliche Grenzen überschritten, sodass Betrug ohne Adjektiv immer mehr um sich zu greifen scheint. Lassen wir Galbraith mit der Weisheit des Alters zum Bawag-Skandal fiktiv zu Wort kommen:
Die Analyse: Das Konzernmanagement hat nahezu uneingeschränkte Macht.
"Früher einmal hatten die Eigentümer das Sagen; in Großunternehmen sind heute die angestellten Führungskräfte und nicht mehr die Kapitaleigner die eigentlichen Herren. Denn ein Konzern könne gar nicht mehr von seinen Eigentümern – den Aktionären – kontrolliert werden. Die Aktivitäten eines Großunternehmens seien viel zu breit gefächert und erforderten zu viele Entscheidungen, die ein hohes Maß an Sachkenntnis voraussetzten. Daher müsse die Macht und die Verantwortung denjenigen übertragen werden, die hinreichend qualifiziert seien. So kam es zum beherrschenden Einfluss des Managements. Macht verdankt sich Fachkompetenz, persönlichem Ehrgeiz und anerkannter Führungsstärke sowie konsequent verfolgtem Eigennutz."
Aufsichtsratssitzungen sind rituelle Veranstaltungen.
"Ein Aktionärstreffen gleicht einem baptistischen Gottesdienst. Die Herrschaft der Manager wird in keiner Weise geschmälert; dazu gehört auch, dass sie ihre Vergütung in Form von Barbezügen oder Aktienbezugsrechten weit gehend nach eigenem Belieben festsetzen. Eine Vergütung, die manchmal an Diebstahl grenzt. Die Mythen von der Eigentümerkontrolle und von der Geschäftsführung im Interesse der Anteilseigner sind zählebig, die rituellen Sitzungen gehen weiter.
Die Aufsichtsräte halten sich für unverzichtbar und sie werden von den Vorstandsmitgliedern mit brüderlichem Respekt behandelt. Aber kein vernünftiger Beobachter der modernen Unternehmenslandschaft kann die Augen vor der Wahrheit verschließen. Die Macht der Konzerne liegt beim Management."
In der Finanzbranche tummeln sich besonders viele zwielichtige Gestalten.
"Wir kommen jetzt zu einer Branche, die bekannt ist als Tummelplatz für arglose und nicht ganz so arglose Betrüger. Es ist die Finanzbranche – die Welt der Banken, der Unternehmensfinanzierung, der Wertpapiermärkte, der Investmentfonds, der Anlagestrategen und Finanzberater.
Die Prognosen eines Analysten, eines an der Wall Street tätigen Volkswirts oder eines Finanzberaters über die künftigen konjunkturellen Rahmenbedingungen für ein Unternehmen sind nach allgemeiner Auffassung Ausdruck seiner volks- und finanzwirtschaftlichen Sachkunde. Und der Weitblick eines Fachmanns lässt sich nicht so leicht in Abrede stellen. Zufällige Treffer in der Vergangenheit, ein eindruckvolles Arsenal an Diagrammen und Gleichungen und zur Schau getragenes Selbstbewusstsein untermauern den seherischen Weitblick. Auch dies ist eine Form des Betrugs."
Das Ende der Unschuld ...
"Finanz- und Anlageberatung können sich eine Zeit lang durchaus auszahlen, aber dann schlägt die Stunde der Wahrheit. Dies haben uns die letzten Jahre schmerzlich vor Augen geführt. Führungskräfte von Enron, WorldCom, Tyco und andere Firmen gerieten ins Fadenkreuz öffentlicher Kritik und Empörung.
Die Eigentümer hatten nichts zu melden, und einige Wirtschaftsprüfungsgesellschaften waren überaus willfährige Helfer. Der überraschendste Beitrag zu diesen firmenschädigenden und mitunter sogar kriminellen Umtrieben waren vorsätzliche Bilanzfälschungen. Diese verschleierten die krummen Machenschaften, die bis zu offenem Diebstahl reichten."
... und die Moral von der Geschichte.