Die Kommentare der intellektuellen und politischen Elite Österreichs zum Kosovo-Konflikt zeigen ein Bild beträchtlicher Verwirrung und Kopflosigkeit: So spricht der Völkerrechtler Manfred Rotter von den "Mindestanforderungen der politischen Geometrie" und sieht in der "Kosovo-Befreiungsarmee" U¸CK, unter Verwechslung von Ursache und Wirkung, ein Haupthindernis für den Frieden im Kosovo (STANDARD, 22. März 1999).

Im Gegensatz dazu fragt der Philosoph Rudolf Burger, warum man die U¸CK "nicht ordentlich aufgerüstet" hat (STANDARD, 25. März). Genau diese Eskalation von Gewalt und Gegengewalt wollte das Rambouillet-Abkommen mit der Entwaffnung der U¸CK vermeiden.

Widersprüchliche ...

Internationale Krisen ohne einen ätzenden Kommentar des Wiener Grünen Peter Pilz sind undenkbar. So ist für ihn die Nato mit den Bomben auf Serbien am "Ende der Sackgasse" (STANDARD, 27. März 1999). In Bosnien war er im Gegensatz dazu schon sehr früh für eine militärische Intervention des Westens und dagegen, "der Schlächterei zuzusehen" (STANDARD, 27. April 1993). Auch vergißt er beim Vergleich von Kosovo-Albanern und Kurden, daß gerade US-Flugzeuge den irakischen Diktator Saddam Hussein davon abhalten, die Kurden im Norden Iraks abzuschlachten.

Die Schriftstellerin Elfriede Jelinek ist "schockiert über diesen Krieg" und zeigt sehr wohl die Problematik der Situation auf. Ihre Lösung ist ein "Protektorat" für den Kosovo (STANDARD, 26. März 1999). Genau so ein "internationales Protektorat" forderte Außenminister Alois Mock schon sehr früh für Bosnien (Presse, 20./21. März 1993) und wurde für seine damaligen Aktivitäten von Rudolf Burger als "kriegsgeiler Kiebitz" an den Pranger gestellt.

Bundeskanzler Viktor Klima und Vizekanzler Wolfgang Schüssel zufolge sei "gar nichts anderes übrig geblieben, als das Vorgehen der jugoslawischen Armee und der serbischen paramilitärischen Verbände mit Luftschlägen zu stoppen" (Gemeinsame Erklärung, STANDARD, 25. März 1999). Für Klima habe die Führung in Belgrad diese Maßnahmen "bedauerlicherweise notwendig gemacht".

Trotzdem hält Viktor Klima die österreichische "Neutralität für wichtig und sinnvoll" (STANDARD, 30. März). Deshalb erteilte Österreich keine Genehmigung für Überflüge und Durchfuhr von militärischem Gerät bei einem Einsatz in der Kosovo-Krise. Diese zwiespältige Haltung der österreichischen Politik wird damit begründet, daß die Rechtslage in Österreich keine andere Wahl läßt, da für die Nato-Aktion in Jugoslawien kein Mandat des UNO-Sicherheitsrates vorliegt.

... und zwiespältige Haltungen

Die Rechtslage ist ja gerade von den Politikern, die sich darauf berufen, geschaffen worden und daher auch zu verändern. Dazu gibt es einen Präzedenzfall: Als am 16. Jänner 1991 die Kampfhandlungen am Golf im Zuge der Irak-Kuwait-Krise begannen, wurde das Strafgesetz und das Kriegsmaterialgesetz in einer dreißigstündigen Blitzaktion novelliert. Die Bestimmungen über das Verbot des Transits von Kampfmitteln galten ab nun nicht mehr, wenn der UN-Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN-Charta die Kampfhandlungen gestattet. Solche kriegerischen Aktionen werden jetzt als "Polizeiaktion" angesehen.

Der Sinn dieser Gesetzesnovellen kann doch nur gewesen sein, daß solche "Polizeiaktionen" bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, bei Völkermord etc. stattfinden und deshalb zu unterstützen sind. Daher hat Österreich in der Irak-Kuwait-Krise den Überflug von alliierten Kampfflugzeugen, ja sogar den Transit von Panzern über Land erlaubt. Nun soll dies gerade bei einem Völkermord, der nicht weit entfernt im Nahen Osten, sondern praktisch vor der Haustüre Österreichs geschieht, nicht gestattet sein?

Von den 15 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates befürworten zwölf Staaten die Aktionen der Nato, nur drei Staaten verurteilen sie. Durch die undemokratische Struktur des Sicherheitsrates (aufgrund des Vetorechts der fünf ständigen Mitglieder) wird ein Beschluß zur Unterstützung der Nato verhindert.

Nische "Neutralität"

Die österreichischen Politiker verschweigen auch, daß die gelobte Neutralität vollkommen ausgehöhlt ist. Der bald in Kraft tretende Vertrag von Amsterdam hat wahrscheinlich ihre letzten Reste aufgezehrt. Die leere Hülse "Neutralität" sticht auch nicht mehr gegenüber Partnern im Westen. Die zwar dementierte, aber bei genauerer Analyse der diplomatischen Sprache klar zu Tage tretende Kritik am österreichischen Verhalten in der Kosovo-Krise durch Nato-Staaten macht dies deutlich. Wie schon so oft in den letzten Jahren steht Österreich international als sicherheitspolitischer "Trittbrettfahrer" da.

Paul Luif ist Universitätsdozent für Politikwissenschaft und Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Internationale Politik in Laxenburg.