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Feminismus und Pop ist so ein Begriffspaar bei dem die (männlichen) Reaktionen nicht selten heftig ausfallen. Zwar sind starke Frauen (vorzugsweise Bassistinnen) schon okay, Girl-Groups sowieso klasse, aber das widerspricht sich ja nicht mit der Ablehnung feministischer Theorien als spaßtötendes Werkzeug von Pop-Analysen und dem dabei auch immer heimlich geäußerten Verdacht des "Kampflesbentums2. Für "fiber. werkstoff für feminismus und popkultur" hat die Kombination von Pop und Feminismus aber zuerst einmal ganz simple Gründe. "Wir sind feministisch denkende und lebende Frauen und interessieren uns für Popkultur", so Mitherausgeberin Hanna Sohm. Punkt.

Es geht aber auch komplexer: "Wir begreifen Popkultur als ein Terrain für gesellschaftliche, hegemoniale wie auch minoritäre Entwicklungen in der Massengesellschaft, als ein Schlacht- und Testfeld, wo sich soziale, politische und ökonomische Diskriminierung und Hierarchisierung aber auch Widerstandsformen dagegen organisieren".

So die für "fiber" immer noch gültige Definition des Vorläufermagazins "nylon". Klingt kompliziert, ist es auch. Warum sollte ausgerechnet ein derart komplexes Feld wo es zwischen (Gender)Mainstream (desperate Hausfrauen und Gilmore Girls zwischen Sex, Studium und City), Queer Theories (Judith Butler) und "Gendertronics" auch immer um konkrete (zwischenmenschliche) Lebensentwürfe geht easy sein?

"Politics of Pleasure"

Umso bemerkenswerter wie locker und kurzweilig in "fiber" geschrieben wird. Da werden schon mal Fanherzen ausgeschüttet und popistische "politics of pleasure" betrieben. Bestes Hirnschmalzfutter also, das aber auch gerne äußerst inspirierende Kopfnüsse verteilt. Dazu Mitherausgeberin Sara Paloni: "Es geht um eine lustvolle, selbst bestimmte Aneignung von popkulturellen Phänomenen und darum, die männliche Dominanz in diesem Bereich zu verändern. Wir sind ein Magazin für Popkultur mit politischen Anspruch. Das scheint oft nicht ins feministische Image zu passen. Aber wir sind auch ein Medium, das verschiedene feministische Positionen und Ansätze nebeneinander vertritt."

Dabei ist der Lesestoff nicht alles, sind symbolische Räume nicht die einzigen die besetzt werden wollen. Wurde "fiber". So ist es nur logisch konsequent, dass ein Unterfangen wie "fiber", dem es, so Hanna Sohm "um's Sichtbarmachen des Verborgenen bzw. verborgen Gemachtem sowie die Benennung des Vergessenen und Marginalisierten“ geht, auch öffentlich Aktivitäten setzt. Das reicht von Festen, über "fiber-Salons", öffentlichen AutorInnensitzungen (!) und Workshops bis hin zur Diskussionsreihe "Kontroverse", wo das diskursive Futter für die jeweils aktuelle Schwerpunkt-Ausgabe produziert wird. "fiber" meint eben auch ganz real Schaffung aktiver Präsenz im öffentlichen Raum durch konkrete Vernetzungen als "werkstoff für feminismus und popkultur".

Sara Paloni: "Es geht darum Strategien zu finden, radikalisierte Diskurse in den Alltag einfließen zu lassen." Dafür ist "fiber" in Puncto Selbstausbeutung fast symptomatisch zu nennen – da es keine regelmäßigen und kontinuierlichen öffentlichen Förderungen gibt, läuft die Finanzierung über Heftverkauf, Anzeigen und T-Shirt-Verkauf. Das deckt gerade mal die Druckkosten und ist angesichts des professionellen Layouts fast unvorstellbar. (DER STANDARD; Printausgabe, 4.4.2006)