Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat am Dienstag erneut in Sachen Bawag P.S.K. von einem Kriminalfall gesprochen und Konsequenzen gegen alle Verantwortlichen angekündigt. Aber Juristen und Wirtschaftsprüfer, die mit der Materie vertraut sind, sehen die Möglichkeit, dass bei der Behandlung der Karibik-Verluste aus bankrechtlicher Sicht tatsächlich alles korrekt abgelaufen ist. Der einzige Geschädigte ist der Eigentümer der Bank, der ÖGB, der sich durch sein Vorgehen um einen guten Teil seines Vermögens gebracht hat.

So stellt sich der Ablauf der Ereignisse nun dar:

Die Bawag hatte in den Neunzigerjahren über Töchter Kredite an karibische Beteiligungen vergeben, die wiederum Wolfgang Flöttl das Geld für Spekulationen borgte – angeblich für Sicherheiten. Als sich Ende 2000 herausstellte, dass eine Kreditsumme von einer Mrd. Euro in Wahrheit nicht gesichert war, forderte der Wirtschaftsprüfer KPMG von der Bawag eine sofortige Haftung – sonst würde die Bilanz platzen.

Garantie innerhalb weniger Stunden

Innerhalb weniger Stunden erbrachte der Mehrheitseigentümer ÖGB – damals mit 54 Prozent – diese Garantie. Sie bestand zum Teil aus liquiden Mitteln im Streikfonds und Liegenschaften. Weil dies nicht genügte, mussten auch die Bawag-Aktien herhalten. Deren Wert wurde allerdings so niedrig angesetzt, dass selbst bei einem Hochgehen der Affäre durch den Verkauf der Bankanteile die Kredite gedeckt wären. Die Garantie war mehr als eine Patronanzerklärung, die Ex-ÖGB-Finanzchef Günter Weninger bei Auffliegen der Affäre erwähnte.

Da der ÖGB als Garant auftrat, war das Ausfallrisiko der Kredite an die Karibik-Töchter gebannt; eine Meldung an den Aufsichtsrat, den Minderheitsaktionär Bayerische Landesbank, die 46 Prozent der Aktien hielt, und die Bankenaufsicht aus Sicht der Wirtschaftsprüfer nicht notwendig. Weder war die Bank im Bestand gefährdet noch in ihrer weiteren Entwicklung beeinträchtigt. Dazu kam, dass der Vorstand die Karibik-Geschäfte zu diesem Zeitpunkt komplett einstellte.

Wären die Bayern in der Bank geblieben, dann hätten sie Anspruch darauf gehabt, dass der ÖGB die Verluste übernimmt und so Schaden für die Bank abwendet. Aber der ÖGB erwarb die Anteile 2004 für einen Preis, der die Verluste nicht widerspiegelte. Seither ist die Gewerkschaft Alleineigentümer. Daher macht es keinen Unterschied, ob die Bawag die Verluste selbst absorbiert und dadurch an Wert verliert, oder der ÖGB die Garantiesumme auszahlt.

Prüfungsbericht korrekt

Im Zuge der Fusion mit der Hundert-Prozent-Tochter P.S.K. im Vorjahr wählte die Bawag die erste Option: In der Fusionsbilanz wurden alle vorhandenen stillen Reserven mobilisiert, weitere Aufwertungen sind für die noch nicht testierte Bilanz 2005 geplant. Das bedeutet, dass die Gewinne aus dem Verkauf der bulgarischen Mobiltel und die Lotterie-Beteiligung für die Karibik-Verluste verwendet wurden und im Unternehmenswert der Bawag nicht mehr enthalten sind. Bloß die 120 Mio. Euro für das Casino Jericho werden noch von der ÖGB-Haftung gedeckt.

Angesichts dessen war auch der bankaufsichtliche Prüfungsbericht, den die KPMG im März 2001 für das Finanzministerium erstellt hat, formal korrekt. Schließlich waren die Karibik-Kredite nicht ausfallgefährdet, und die "Risiko- und Ertragssituation der Bank" unverändert.

Die sieben Karibik-Gesellschaften wurden nicht in die Konzernbilanz hineinkonsolidiert, was dank der ÖGB-Garantie keinen Unterschied gemacht hätte. Der Bawag-Aufsichtsrat hätte durch gezielte Fragen die Verluste erkennen können. Denn im Bericht an den Rat werden Forderungen an "Related Parties" angesprochen, aber nicht erklärt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.4.2006)