
Shy: "Zurück am Start" (Wohnzimmer Rec./Sony)
Live-Präsentation: 12.4., 1080 Wien, Chelsea. 21.00
Das Schlimmste, was es über das neue Album von Shy zu sagen gibt, ist, dass die Keyboard-Melodie im Song Passagiere deplatziert wirkt - zumindest beim Erstkontakt. Während Sänger Andreas Kump nämlich gerade darüber reflektiert, dass man im Leben nur ein Passagier sei und am Ende der Reise eben der Tod stünde, flirrt das Keyboard fröhlich in die Höhe. Ganz so, als gelte es, hier nicht die Gewissheit der Vergänglichkeit, sondern die Euphorie einer neu gewonnenen Liebe zu verdeutlichen. Gleichzeitig transportiert dieser Widerspruch, den ein Fehlfarben-Zitat im selben Song augenzwinkernd unterstreicht, den Arbeitsansatz dieses siebten Albums der Linzer Band.
Immerhin verhandelt Kump auf Zurück am Start den Themenkomplex Liebe, Verlust und Neuanfang und versucht, diesem Gefüge neue Nuancen abzugewinnen. Die zehn Stücke, in die dieser Versuch sich entlädt, erweisen sich als eloquent formulierte Betrachtungen, die ihre Zutaten gut dosiert aus den Töpfen Selbstzerfleischung, Enttäuschung, Hoffnung und der Einsicht, dass jedes Ende auch ein Neubeginn ist, beziehen. Insgesamt ergibt das - wieder einmal! - das beste Album dieser seit 15 Jahren bestehenden Band, die schon lange vor dem aktuellen Deutsch-Pop-Boom den damals noch ungleich mutigeren Schritt tat, in deutscher Sprache zu singen. Und zwar auf eine Art, dass alle Julis, Silbermonde und selbst ernannten Helden da draußen demütig schweigen sollten. Einerseits.
Andererseits vermieden Shy, sich stilistisch den ungleich erfolgreicheren und ihnen inhaltlich näher stehenden deutschen deutschsprachigen Bands wie Tocotronic, Sterne oder Blumfeld anzubiedern, und blieben bis heute auf Spur. Ihre Stellung als beste heimische Popband - im Sinne eines britisch geprägten, aber sich zum Blick über den Tellerrand zwingenden Selbstverständnisses - untermauern Shy mit Zurück am Start eindrucksvoll. Wie gewohnt stellt der am Freitag seinen 38. Geburtstag feiernde Kump sich als Vortragender in seinen Songs nie über sein Publikum. Bei aller Intelligenz verbreiten Shy keine "Weisheiten", erklären niemandem die Welt, sondern erzählen lediglich von den Versuchen, die für sie wirksamen Mittel in den oben beschrieben Daseinssituationen zu finden.
Deshalb wirken Shy-Songs auch immer wohltuend uneitel. Trotz des verhandelten Schmerzes versagt es sich die Band, Zurück am Start als exhibitionistischen Soundtrack zum Wundenlecken zu missbrauchen, sondern überrascht angesichts der Themenstellung mit unerwartetem Pfiff und Zug. Forcierte Gitarren und Upbeat prägen das Album - neben den für Shy typischen Midtempo-Stücken, die das eben nach Wien übersiedelte Stahlstadtkind Kump so eindringlich vorträgt wie noch nie - etwa in Jeder hat sein Leben ganz zu leben. Ein Kunstgriff, den der Neobarträger Kump gerne öfter einsetzen könnte. Immerhin verstärken derlei Phrasierungen die Botschaft und bietet einen ansprechenden Gegensatz zu dem sonst vorherrschenden, eher nüchtern gehaltenen Tonfall. Produziert wurde das Album wie schon seine Vorgänger im Weilheimer Uphon Studio, der Wiege der Werke von The Notwist und deren Satelliten.