Foto: Touristen
Die Reise beginnt vor knapp zwei Jahren, als Michael Laczynski und Wolfgang Thaler nächtens an der Theke ihres Stammlokals in Wien lehnen – verärgert über eine Zeitschrift, die ihren Reisebericht soeben schubladisiert hatte. Die einzige für sie logische Konsequenz daraus war die Gründung eines eigenen Magazins, "Touristen", anfangs weniger auf konzeptueller Basis als vielmehr aus dem Bauch heraus und auf Grundlage gemeinsamer Interessen.

Erlebnisbericht

Nach nunmehr zwei erschienen Nummern lässt sich schon herauslesen, wohin die Reise der drei hauptverantwortlichen Touristen gehen soll. Das Magazin stellt sich nicht in die Reihe bloßer Tourismus-Verkaufsprospekte. Diese nennen sich oft "Reisemagazine", wollen aber eigentlich nur die Schönheit Griechenlands loben, um im gleichen Atemzug den "Geheimtipp" Ferienhaus hinter den Olivenhainen anzupreisen. Touristen solle Ergänzung zu den bekannten Reisemagazinen wie "Merian" oder "GEO" sein und "die klassische Form eines Reiseberichts als Erlebnisbericht erweitern", meint Redakteur und Artdirektor Michael Jung.

Und die Touristinnen?

Der Name des Magazins – "Touristen" – ist einerseits sympathisch, weil der Begriff nicht hochtrabend zu umschreiben versucht wird. "Touristen sind Reisende, nur klingt 'Reisende' etwas spröde", sagt Michael Jung und Redakteur Wolfgang Thaler ergänzt: "Ich verbinde damit ein Selbstbewusstsein, ein wenig Stolz auch, das wohlige Kribbeln, wenn man auf Reisen ist." Der Titel ist andererseits aber auch unsympathisch, weil hier wiederum die Männlichkeit in der Sprache propagiert wird und die Touristinnen unsichtbar bleiben! Auch in den Artikeln selber ist von gendersensiblem Sprachgebrauch nichts zu merken!

Viermal im Jahr bietet "Touristen" lange Texte von teilweise bekannten AutorInnen – in literarischer, journalistischer, künstlerischer oder fotografischer Form. Es geht darum, ein Reisethema nicht von vornherein in ein enges Korsett zu zwängen. Das Magazin eröffnet den mehrheitlich männlichen Schreibenden mit Schwerpunkten wie "Ahoj" oder "On the rocks" breite Assoziationsspektren, sich diesen Themen zu nähern. So können die LeserInnen in der Zweiernummer von "sich selbst nicht geheueren" Stämmen im abgelegenen Bergland Transkarpatien ebenso lesen wie von den "rocks" im Glas, die einen Drink zu einer "undefinierbaren, labrigen Flüssigkeit mit Geschmacksbeigabe" werden lassen. Genderthemen werden keine behandelt und Reflexionen über politische oder soziale Verhältnisse in den bereisten Ländern fallen äußerst dürftig aus. Der eine Artikel interessiert mehr, der andere weniger, mal schnell verschlungen, mal äußerst langatmig; es verhält sich wie beim Reisen.

Layout zum Verweilen

Es wäre kein Reisemagazin, könnte "Touristen" nicht mit schönen Bildern aufwarten. Das millionste Foto der Cheops Pyramide werden die LeserInnen hier aber nicht finden. Vielmehr geben die Bilder persönliche Einblicke und Eindrücke von den Reisen nach Irgendwo und ergänzen somit die individuellen Reiseberichte sehr gut. Highlights sind dabei sicherlich die Fotos von Sonnenauf- und untergängen am Anfang und Ende des Heftes – "ohne die wohl keine Urlaubsreise vollständig wäre," so die "Touristen". Auch das Layout fügt sich ins Gesamtbild ein. Es ist großzügig gestaltet mit freien Flächen, teils nüchtern, aber passend. Als ob den LeserInnen Platz und Zeit gegeben werden wollte, kurz an Ort und Stelle zu verweilen. Und das ist wichtig beim Reisen!

Reisen braucht aber nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Die Hauptfinanzierungsquelle von "Touristen" sind Anzeigen, öffentliche Förderungen gibt es keine. Schade nur, dass ein "Warum erfrischt mich das ..." eine schöne Bilderserie stören kann.

Mutig und selbstbewusst blicken die Touristen den nächsten Reisen entgegen. Wolfgang Thaler wünscht sich "professionelle Produktionsbedingungen, Internationalisierung, die Qualität halten und zehn Jahre alt werden." Viel Erfolg dabei und weiterhin gute Reise! (Hanna Sohm/DER STANDARD, Printausgabe, 12.04.2006)