STANDARD: EU-Kommissarin Viviane Reding will, dass die Mobilfunkbetreiber auf Roaminggebühren verzichten und Auslandsgespräche mit dem Handy gleich viel kosten wie im Inland. Wie sehen Sie das?

Serentschy: Die jeweiligen nationalen Regulatoren führen derzeit Marktanalysen der Roaminggebühren durch. Diese sind bis Sommer fertig und wenn es da Wettbewerbsprobleme gibt, wird man den Betreibern entsprechende Auflagen machen. Parallel hat Frau Reding eine politische Initiative gestartet, die nicht auf einer systematischen Analyse beruht, sondern auf der Wahrnehmung, dass es aufgrund der Preisunterschiede zu Unsicherheiten beim Endverbraucher kommt.

STANDARD: Die Preisunterschiede für die Roaming-Gebühren machen bis zu 1000 Prozent aus. Das ist nicht gerechtfertigt.

Serentschy: Unsere Skepsis bezieht sich auf die Vorstellung, mit einem Rasenmäher über alle Betreiber und ihre Preise zu fahren. Denn Kosten beim grenzüberschreitenden Mobilfunk-Gespräch fallen ja an und die müssen transparent und fair verrechnet werden und es muss Vergleichbarkeit herrschen. Man muss auch sehen, dass dies in einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist. Dort, wo es viel Transit und Tourismus gibt - also auch in Österreich - stellt Roaming eine erhebliche Einnahmensquelle für die Betreiber dar. Auch für Belgien, wegen dem EU-Geschäftstourismus, der ja weniger preissensitiv ist.

STANDARD: Sie sind also eher auf der Seite der heimischen Netzbetreiber, die am Status quo festhalten wollen?

Serentschy: Nein, unsere Rolle ist die der neutralen Experten, die Entscheidungen auf Basis einer fundierten Analyse zu treffen haben. Alle Länder gleich zu behandeln bei einer Senkung der Roaming-Gebühren, davor warne ich. Denn beim grenzüberschreitenden Gesprächsverkehr fallen Kosten an, die jemand bezahlen muss. Bei einem völligen Entfall der Roaminggebühren drohen auch unerwünschten Effekte wie Jobabbau und Investitionskürzungen. Auch billige Inlandstarife und subventionierte Endgeräte kämen auf den Prüfstand.

STANDARD: Die Telekommunikation ist ein sehr beweglicher Markt, bei dem man als Außenstehender Regulierung und Deregulierung der 17 verschiedenen "Teilmärkte", wie sie von der EU zu regulatorischen Zwecken definiert sind, oft nicht auseinanderhalten kann. Gleichzeitig kommt es mit neuen Technologien, etwa Sprachvermittlung über Internetprotokoll (Voice over IP, VoIP) zu einem Zusammenwachsen der Produkte. Macht diese Märkte-Trennung da Sinn?

Serentschy: Es ist tatsächlich so, dass Voice over IP in der Ausprägung als Internet-Telefonie nicht in einen der Telekommunikations-Teilmärkte fällt, denen sich die europäischen Regulatoren annehmen. Als "Emerging Market", der VoIP ist, ist das unserer Meinung nach derzeit nicht nötig. Es müssen nur einige Eckpunkte stimmen, wie der, dass Notrufnummern in einem Land einheitlich geregelt werden sein müssen und dass es klare Regeln für Nummernblock-Zuteilungen gibt. Aber natürlich hat gerade VoIP das Potential, dass Roaming- und Terminierungsentgelte (Entgelte, die sich Netzbetreiber für das Durchleiten von Festnetz-Inlandsgesprächen zahlen, Anm.) hinfällig werden.

STANDARD: Es kann also dazu kommen, dass gewisse Telekommunikationsmärkte künftig nicht reguliert werden?

Serentschy: Die Teilmärkte sind eine Momentaufnahme des Jahres 2002, als die EU das regulatorische Prinzip festgelegt hat. Die Kommission hat derzeit eine neue Märkte-Empfehlung in Arbeit.

STANDARD: Untersuchungen in Europa zeigen, dass die Länder im IKT-Bereich (Informations-und Kommunikationstechnologien) weit vorne sind, die eine klare politische Zuständigkeit für IKT haben. In Österreich sind diese Agenden über mehrere Ministerien verstreut.

Serentschy: Wir haben einen IKT-Masterplan erarbeitet und der Regierung abgeliefert. Ein Erkenntnis ist, dass es ein koordiniertes Vorgehen mit einem zentralen IKT-Board braucht, wenn man die Wettbewerbsfähigkeit stärken und einen Digital Divide, also den Ausschluss gewisser Bevölkerungsteile von Telekommunikationsanwendungen, verhindern will. Es gilt auch bewusst zu machen, dass eine Branche, die 126.000 Beschäftigte und 15 Mrd. Euro repräsentiert und damit einen BIP-Anteil ähnlich dem des Tourismus hat, mehr Aufmerksamkeit benötigt.

STANDARD: Der Fremdenverkehr hat aber in Österreich auch keine zentrale Anlaufstelle.

Serentschy: Es ist Sache der Politik, aus den Erkenntnissen des IKT-Masterplans die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Eines ist aber unbestritten: Wachstum, Innovation und Beschäftigung kommen wesentlich aus diesem Sektor.

Länder mit einem hohen Transitaufkommen und starkem Tourismus profitieren von den derzeitigen Regeln. So auch Österreich.

Bei neuen Geschäftsmodellen wie etwa der Internet- Telefonie wäre Regulierung verfehlt. Das gilt zumindest für die Anfangs- und Aufbauphase. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.4.2006)