
Das "S-House" ist ein Vorzeigeprojekt in mehrerlei Hinsicht: Einerseits dient es als Informationszentrum zum Thema "Nachhaltiges Bauen". Andererseits folgte die Errichtung selbst dem Konzept "Faktor 10". Dabei wird durch Einsatz der Passivhaustechnologie, durch Minimierung fossiler und mineralischer Materialien sowie durch Verwendung nachwachsender Rohstoffe (Wände aus Stroh, Lehmverputzung etc.) der Energie- und Ressourcenverbrauch auf maximal ein Zehntel im Vergleich zum heutigen Stand der Technik reduziert.

Bauen mit Stroh hat eine relativ lange Tradition - in den USA. Strohballen waren dort in den getreidereichen Regionen schon im 19. Jahrhundert, nach der Einführung von dampfgetriebenen Ballenpressen, leicht verfügbar und billig. "In Österreich wurde diese Bauweise erst vor etwa acht Jahren ein Thema, als die entsprechenden Prüfergebnisse (punkto Brennbarkeit etc., Anm.) vorlagen", berichtet Robert Wimmer von der "Gruppe Angepasste Technologie" (GrAT) an der TU Wien, der das Haus gemeinsam mit dem Architekten Georg Scheicher geplant hat, gegenüber derStandard.at.

Wimmer schätzt, dass in Österreich derzeit etwa 40-50 Häuser in Strohbauweise fertig gestellt oder in Bau sind. Das S-House in Böheimkirchen (NÖ), das auf der EXPO 2005 in Japan als eine der international innovativsten Umweltlösungen ausgezeichnet wurde, sei aber jedenfalls das "Flagship" dieser Serie. Das Büro- und Demonstrationsgebäude baut auf den Forschungsergebnissen auf, die im Rahmen des Programms "Haus der Zukunft" erarbeitet wurden. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), dem Land NÖ und der EU.

In den USA hatten sich im Lauf der Zeit zwei unterschiedliche Stroh-Bauweisen entwickelt: Die lasttragende Bauweise ("Nebraska-Stil"), bei der die Strohballen wie Ziegel aufeinander gesetzt und dann verputzt werden, sowie die so genannte "Holzständer-Konstruktion", bei der die statische Funktion von einem Holzgerüst übernommen wird und die Strohballen nur noch dämmende Funktion haben. Diese Bauweise wurde beim S-House angewandt und weiterentwickelt.

Sie hat den Vorteil, dass wegen der Holzkonstruktion statische Berechnungen einfacher sind, was auch mehrgeschossige Bauten möglich macht. Außerdem können so auch Fertigteilkomponenten entwickelt werden, woran bei der GrAT laut Wimmer derzeit gearbeitet wird.
"Wir wollten mit dem S-House einer breiten Öffentlichkeit zeigen, wie man in Zukunft Technik anwendet", erzählt der TU-Experte. "Die Modernität eines Gebäudes hat nichts mit den verwendeten Materialien zu tun, man kann moderne Häuser auch aus Stroh und Lehm bauen."

Das S-House entspricht wegen der geringen spezifischen Wärmeleitfähigkeit der Strohballen den Niedrigenergie- und sogar Passivhaus-Standards. Der Baustoff Stroh kann weiters sehr gut mit anderen ökologischen Baustoffen (etwa Lehm, Flachs etc.) kombiniert werden, was ein sehr "gesundes" Wohnen - keine Schadstoffe in der Raumluft, genug Luftfeuchte - ermöglicht. Der verwendete Lehm wurde außerdem direkt vor Ort gewonnen, verursachte also keine Transportkosten, erzählt Wimmer.

Und was viele nicht für möglich halten würden: Die Strohwände bieten neben der hervorragenden Dämmung auch guten Brandwiderstand. Das liegt nicht in erster Linie an der Lehmverputzung (Bild), sondern am Pressdruck, so der TU-Experte: "Die Ballen werden mit einem Druck von 120 kg/m² gepresst, diese Kompaktheit bewahrt den Stroh wegen der fehlenden Luftzwischenräume vor dem Brennen."

Die im S-House verwendeten Wände - eine beidseitig verputzte, mit Strohballen gedämmte Holzständerkonstruktion - erreichten bei Tests der MA 39 (Versuchs- und Forschungsanstalt der Stadt Wien) die höchste Brandwiderstandklasse, die die Bauordnung vorschreibt, nämlich "F90" - was bedeutet, dass die Wand 90 Minuten lang Feuer standhält.

Zur Befestigung der Holz-Fassade auf der Strohdämmebene wurde eigens eine Schraube aus Biokunststoff konstruiert. Das Design der Schraube wurde nach bionischen Kriterien entwickelt, was eine maximale mechanische Festigkeit bei minimiertem Materialverbrauch garantieren soll.

Neue Wege wurden beim S-House auch bei der Haustechnik beschritten. Das Demonstrationsgebäude in Böheimkirchen enthält etwa Lüftungskanäle aus Zirbenholz, Kabeltrassen aus Fichtenholz und einen Biomassespeicherofen.
Kosten würde das alles nicht mehr als ein herkömmliches Haus, was neben den baubiologischen Vorteilen der zweite große Pluspunkt dieser Bauweise sei, meint Wimmer.

Die feierliche Eröffnung des Hauses fand im September statt, in Verwendung ist das S-House nun als Zentrum für nachwachsende Rohstoffe und nachhaltige Technologien. In Form einer Dauerausstellung werden dabei die für das Haus entwickelten Komponenten und Konstruktionen und unterschiedliche ökologische Oberflächenmaterialien präsentiert. Außerdem wird in einem "Materialgarten" rund um das Gebäude der Weg vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt dargestellt.

Am 28. April findet übrigens direkt im S-House das 1. Seminar "Modernes Bauen mit Stroh", veranstaltet von der GrAT in Zusammenarbeit mit der Umweltberatung NÖ, statt (Infos unter www.nawaro.com, Anmeldung per E-Mail an contact@grat.at). Hier wird Interessierten ein Einstieg in die Thematik geboten.
(Martin Putschögl)
Links:
S-House
S-House Endbericht (pdf-Datei, 7 MB)
www.nawaro.com (Nachwachsende Rohstoffe)