Rom - Der italienische Postkonzern Poste Italiane, der 150.000 Mitarbeiter beschäftigt, ist für die Privatisierung gerüstet. "Falls nötig, könnten wir sofort entstaatlicht werden", sagte Konzernchef Massimo Sarmi dem STANDARD. Der bessere Zeitpunkt wäre zu Jahresende, wenn sämtliche neuen Dienstleistungen, E-Procurement und E-Learning, voll entwickelt sind.

Sarmi plädiert dafür, die Post en bloc zu privatisieren und die erfolgreiche Postbank Banco Posta nicht auszugliedern. Dies könne in einer späteren Phase erfolgen. Mit inzwischen 4,8 Millionen Kunden und der Neueröffnung von wöchentlich 500 Girokonten ist die Postbank der Wachstumsmotor des Konzerns. Bereits 42 Prozent des Konzernumsatzes von rund 9 Mrd. Euro entfielen 2005 auf die Banksparte. In wenigen Jahren avancierte die Bank zum fünftgrößten Kreditinstitut des Landes.

"Kaum eine andere Bank kann in Italien mit dem Vertriebsnetz, 14.000 Postämtern und 3650 Bankomatschaltern, sowie den technologischen Infrastrukturen mithalten", sagte Sarmi. Der seit vier Jahren den Postkonzern leitende Ex-Siemens-Manager hat mit der Einführung der aufladbaren Geldkarten, die wie die Prepaid-Karten im Mobilfunksektor funktionieren, den eigentlichen Wendepunkt geschafft und kontrolliert damit bereits gut die Hälfte des Inlandsmarktes. Monatlich werden bis zu 80.000 aufladbare Karten verkauft.

Die Poste Italiane erwachten nach der von Sarmi eingeführten Modernisierung aus ihrer Lethargie, schrieben 2002 erstmals nach einer fünfzigjährigen Verlustperiode schwarze Zahlen und sind inzwischen zu einer ernsthaften Konkurrenz der Banken geworden. So hat etwa der Bankfachverband Abi bei der Wettbewerbsbehörde wegen der Postbank protestiert. "Ein Signal, dass wir richtig liegen", sagte der 59-jährige, vom Gardasee stammende Sarmi.

Ehrgeiziges Investitionsprogramm

Die Lebensversicherungsgesellschaft Poste Vita zählt mit einem Prämienaufkommen von fünf Mrd. Euro ebenfalls zu den Marktführern. In dieser Sparte sieht der Postchef Wachstumspotenzial: "Wir wollen künftig unsere Position im Vorsorgebereich festigen, an Kfz-Haftpflichtversicherungen sind wir nicht interessiert." Inzwischen bieten bereits 3000 italienische Postämter private Zusatzrenten an.

Die italienische Post wird zu 65 Prozent vom Schatzamt, zu 35 Prozent von der mehrheitlich ebenfalls vom Schatzamt kontrollierten Cassa Depositi e Prestiti (CDP) kontrolliert. Sarmi hat ehrgeizige Wachstumspläne. Rund drei Mrd. Euro sollen bis 2008 investiert werden, davon 1,2 Mrd. Euro für Informationstechnologie, 560 Mio. für Automation und 600 Mio. Euro für Erhaltung und Modernisierung.

Der Logistiksektor sei ausbaufähig, sein Anteil mache 13 Prozent vom Umsatz aus. Nun ist die Post dabei, drei Logistikzentren in Neapel, Rom, Bologna zu errichten. Sarmi schließt eine Allianz mit ausländischen Partnern, etwa der Deutsche-Post-Tochter DHL, nicht aus. (Thesy Kness-Bastaroli, Rom, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.4.2006)