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Auch Unterwasser gibt es viel zu sehen, wenn man sich von den Haien nicht abschrecken lässt.

ap/QUEENSLAND TOURISM
Um sechs Uhr ist Weckzeit an Bord der "Scuba Pro II": Die durchwegs aus Neuseeländern bestehende Mannschaft klopft an die Kabinentüren, am Horizont steigt die Morgensonne auf, unter Deck riecht es nach Kaffee, am Tauchdeck steht die Ausrüstung bereit. Selbst notorische Morgenmuffel können sich der Magie dieser Tageszeit am Riff nicht entziehen, wenn unter Wasser die bunte Welt erwacht und man hören kann, wie die Anemonenfische an den Korallen knabbern.

Adam, unser Skipper, gibt den rund 20 Tauchern an Bord ein Briefing, was sie bei ihrem ersten von drei Tauchgängen an diesem Tag erwartet: klare Sicht bis 40 Meter, das Riff 120 Grad vom Boot, an einer Stelle des Riffs, das wir umrunden werden, viele Clownfische, George die Schildkröte, die nahe diesem Ankerplatz wohnt, vielleicht ein paar Haifische. "Welche Haifische?" "Nur kleine, Riffhaie, vielleicht auch ein paar Tigerhaie."

Wer seit 20 Jahren als Skipper am Great Barrier Reef seinen Lebensunterhalt verdient wie Adam, hat viel zu erzählen: etwa von drei erfahrenen Tauchern, die auf der Suche nach Walen vom Ankerplatz in Richtung offenes Meer abtauchten. Nach einem langen Tauchgang kamen sie wieder hoch, einer mit schreckverzerrtem Gesicht, einer lachend, einer weinend. Ein vier Meter großer Walhaifisch kam am Ende ihres Tauchgangs plötzlich direkt auf sie zu - ein Baby, das spielen wollte; aber das wusste der eine nicht, der den Schrecken seines Lebens erfuhr. Sein wissender Tauchbuddy konnte es ihm aber nicht signalisieren; und der Dritte im Team hatte kurz davor das letzte Bild in der Kamera verschossen.

Tauchsafari

Trotz exzellent geführter Tauchsafari am Great Barrier Reef kommt man nach einiger Zeit in Australien nicht umhin, sich über den Ruf des Landes als Paradies für alle Arten von Wassersport zu wundern. Wer in Cairns landet, dem geschäftigen Tourismuszentrum im Norden von Queensland, sucht vergeblich nach einem Strand, der zum Sonnenbaden, Schwimmen oder Surfen einlädt: Das Meer entlang der Promenade erinnert mehr an einen Sumpf (tatsächlich ist es ein Mangrovensumpf) als an den Südpazifik.

Die Küstenstraße von Cairns nach Port Douglas, ein tropisches Urlaubsressort nördlich von Cairns, führt an spektakulären Buchten und Stränden vorbei. Aber kaum hält man an, warnen gelbe Schilder eindringlich vor den unangenehmen Folgen des Kontakts mit "Stingers", von den Aussies verharmlosend "Meereswespen" genannte Quallen. Essig hilft gegen den Schmerz, "sicherheitshalber" wird empfohlen, die Rettung wegen möglicher Atemnot zu holen. Eine andere Version der gelben Schilder warnt Surfer fast überall vor kräftigen Meeresströmungen, die nicht nur Ungeübten gefährlich werden können.

Bademäßig kaum entspannter sieht es am 70 Kilometer langen Strand von Fraser Island aus, der größten Sandinsel der Welt an der Südspitze des Great Barrier Reef: ein Bilderbuch-Regenwaldparadies; in der Bucht von Hervey Bay machen von Ende Juli bis Anfang Oktober an die 3000 Buckelwale Station auf ihrem Rückweg aus der Antarktis.

Nicht nur Wale

Aber den Ozean genießt man besser vom Strand aus. Nicht nur Wale mit ihren Jungen und Delfine kann man in unmittelbarer Küstennähe beobachten, auch zahlreiche Haie kommen bis auf wenige Meter an den Strand heran. Wer schwimmen will, wird vom Lake McKenzie und einigen anderen klaren, azurblauen Süßwasserseen im Inselinneren entschädigt.

Den Aussies entlocken Bedenken übervorsichtiger Europäer nur ein beruhigendes "No worries, mate", verbales Valium für alle Lebenslagen auf einem Kontinent, der zu über 90 Prozent aus menschenfeindlicher Wüste und "Outbacks" besteht und auf dem selbst ein Premierminister 1967 einfach in einer Meeresströmung verschwand. Abenteuer muss eine australische Erfindung sein, und dazu gehört, mögliche Gefahren auf ein erträgliches Maß herunterzuspielen.

Denn trotz attraktiver Metropolen wie Sydney und Melbourne im Osten und Perth im Westen ist es vor allem das nur durch gelegentliche Roadhouses zivilisierte, "wilde Australien", das Besucher anlockt. Queenslands endlose Küste mit dem zweitausend Kilometer langen Great Barrier Reef - eigentlich eine Kette von 2800 Korallenriffen, die aus einem inneren und äußeren Gürtel mit rund 600 Inseln bestehen - zählt zu den atemberaubendsten Arten, das Meer zu erleben. 1981 hat die Unesco das Great Barrier Reef in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen, ebenso wie Fraser Island.

Port Douglas

Cairns ist, schon aufgrund seines internationalen Flughafens ein guter Startpunkt und Standort für die Erkundung des Great Barrier Reefs ebenso wie für die Outbacks in der Umgebung. Als Stadt selbst hat es hingegen wenig Attraktionen zu bieten. Dafür ist Port Douglas, etwa eine Stunde nördlich, ein hippes und relaxtes Resort mit langen Stränden vor Palmenhintergrund, mit erstklassigen Hotels und privaten Quartieren und einer reichhaltigen Lokalszene, erstklassigen Galerien mit Aborigines-Kunst, dazwischen die üblichen Opalgeschäfte.

Selbst baden lässt sich hier - dank entsprechender Vorkehrungen: Ein Teil der Strände ist mit Netzen gegen die "Stingers" gesichert; Tagesfahrten führen Schwimmer, Schnorchler und Taucher ins (quallenfreie) Riff.

So wundersam wie die über Millionen Jahre aus winzigen Organismen gewachsene Unterwasserwelt des Great Barrier Reef mutet an dessen südlichem Ende auch Fraser Island an, einen kurzen Flug von Cairns entfernt und über die Fähre von Hervey Bay aus zu erreichen. Aller Sand Australiens, heißt es, wird irgendwann hier angeschwemmt.

In derselben Zeit, die das Riff zu seiner Entstehung brauchte, wurde aus dem Sand eine von dichtem Regenwald bedeckte Insel mit "Gesteinsformationen", die in Wahrheit verdichteter Sand sind. Mit dem eigenen 4-Wheel-Drive geht es über die Sandpisten auf Abenteuerfahrt; inmitten des Dickichts überraschen azurblaue Süßwasserseen, deren klares Wasser jahrhundertelang vom Sand gefiltert wurde. Der Sundowner im Kingfisher Bay Resort beschließt einen perfekten Tag. Und die Python vor der Zimmertür - naturgemäß kein Problem für Ranger Tom: "No worries mate, it's just a baby!" (Der Standard/rondo/21/4/2006)