Am 30. 5. trafen sich Interessierte zu einer Führung im Rahmen der Ausstellung "Mythen und Massen" am Held-Inn-enplatz.
Dozentin Gabriella Hauch vom Ludwig-Boltzmann-Institut Linz gab einen Überblick zu Frauenanliegen im öffentlichen Raum im Fokus der frühen österreichischen Geschichte. Subjekt der Geschichte Nimmt frau Hegels Begriff des "Subjekts der Geschichte", so kann sie sich selbst offiziell erst seit etwa 150 Jahren in diesem denken. Aber eigentlich meinte Hegel die Arbeit-er. Frauen wurden im gesellschaftlichen Konstrukt mit allen Ausprägungen der Öffentlichkeit ausgespart. Ins Private verdrängt, der Materie verpflichtet und dem Reproduktionsbetrieb, ist es aus der bekannterweise männlichen Geschichtsschreibung herauszuinterpretieren. Erste Frauenbewegungen Wo Dokumente fehlen, setzt die Logik ein. Frauenengagement gabs immer. Die Massenmedien hat´s gebraucht, um die Bewegtheit zu belegen. Es waren Frauen aus der Arbeiterschaft, die sich über Flugblätter und Dünnblatt-Schriften im Wien der Metternich-Ära als erste zu artikulieren verstanden. Frau ging auf die Strasse, bewaffnet mit Arbeitsgegenständen, und marschierte Richtung Innenstadt, wo die Bürgerinnen - zurückhaltend und dokumentiert als "Engel der Milde"- ihre Solidarität für die Protestierenden und gegen den metternichschen Innen-Imperialismus vom Fenster aus kundtaten. Es wurden Forderungen gestellt, die nach dem Scheitern der Revolution 1848 dann erst nach Jahrzehnten erfüllt worden sind. Und Frauenbelange erst mehr als 100 Jahre später. In den "freien Monaten" der Bürgerlichen Freiheit (15. März bis 30. Oktober 1848) konstituierte sich der erste Wiener Demokratische Frauenverein; die erste Frauenversammlung wurde einberufen - unter Aussschluß von Männern. Was den Männern nicht gefiel: Der Volksgartenpavillion wurde gestürmt und die Versammlung gesprengt. Frau lernte, dass Mann auf diesen Separatismus Alleinanspruch zu haben glaubte, und traf sich von nun ab in Gasthäusern, die mit Wachposten abgesichert wurden. Gemeinsames In dieser Zeit der allgemeinen sozialreformatorischen Anliegen wurde es den Frauen leichter gemacht, Stimme für Grundrechte wie das Wahlrecht und Religionsfreiheit zu erheben, weil diese Forderungen auch Forderungen der Männer waren. Am 19.8.wird den Arbeitern der Lohn gekürzt, Frauen bekommen überhaupt nichts mehr. Da zählte jede Stimme, klassenunabhängig. Vereinsverbot Die Revolution scheiterte: Wien fällt am 31.10.1848. Am selben Tag erließ Kaiser Ferdinand ein allgemeines politisches Versammlungsverbot. Das Verbot wurde für Männer wieder aufgehoben; Frauen durften sich weiterhin nicht politisch organisieren. Das Vereinsverbot machte sie gesetzestextlich zu Entmündigten. Frau traf sich aber doch im Rahmen deklariert nicht -politischer Veranstaltungen. Denn das war doch verboten... Über die Parteigrenzen hinweg verband die bürgerlichen "freisinnigen Frauen" und die Arbeiterinnen der Durchsetzungswille des Frauenwahlrechts. In den neoabsolutistischen Strukturen verlor sich die Öffentlichkeit der politischen Frauenbewegung; bemerkbar machte sie sich mit einer Initiative, die sich für schulische Ausbildung für Töchter einsetzte. "Arbeiter aller Länder vereinigt euch" Die sozialdemokratischen Frauen verschrieben sich dem gemeinsamen Kampf für gemeinsame Rechte - über die Geschlechterfixation hinaus. Das war eines der bemerkenswertesten Differenzen dieser beiden Bewegungen: Während sich die "Freisinnigen Frauen" für den Frauenseparatismus aussprachen, stand für die Sozialdemokratinnen die gewerkschaftliche Perspektive im Vordergrund. So schaffte man und frau gemeinsam durch stete Strassenproteste -korrelierend mit dem Erfolg der russischen Revolution, die beim Kaiser grossen politischen Eindruck machte - das Wahlrecht durchzusetzen. Uups, das galt dann ja ausschließlich für Männer .... Ein deutlicher Indikator für den sehr abstrakten Gleichheitsgrundsatz in der Sozialdemokratie von damals, der eine enorme Hierarchisierung der Gesellschaft bewirkte. Frauentag Der 1911 initiierte internationale Frauentag markiert die permanente Arbeit der sozialdemokratischen Frauenbewegung an der und wider die Gesellschaft wieder deutlicher. Die Hauptforderung nach aktivem und passivem Frauenwahlrecht war immer noch der Motor. In der Sozialdemokratischen Frauenbewegung machte der Mangel an jungen und gebildeten Frauen die Stagnation der Umsetzung von Frauenforderungen erklärbar. Der Frauen- und Mädchenhandel war desaströs ingang, Töchter nicht begüteter Familien waren ohne Schulbildung leichter steuer- und mißbrauchbar. "Brot und Frieden" Pazifismus war die bindende Komponente aller Frauenbewegungen. Die Drahtzieher an der hierarchischen Spitze ließ das unbeeindruckt. Vor dem Hintergrund des Weltkriegs wurden sozialrevolutionäre Anliegen artikuliert. Brot gabs immer weniger, Frieden war idealitärer Raum, Männer waren in der Kriegsrealität und Frauen ihrerstatt an der Arbeit im zerstückelten Österreich. Waren sie vor Kriegsbeginn für "Männerberufe" ungeeignet, bewiesen sie zwangshalber, dass dem nicht so war. Da sie nun in öffentlichem Interesse tätig waren, rückten Frauen auch wieder politisch in den Vordergrund. Frauenkommitees konstituierten sich, wieder separat nach "Klasse" organisiert: Arbeiterinnen, Mittelschicht, Katholikinnen. Wahlrecht! Am 21. Oktober 1918 konnte die Forderung des Frauenwahlrechts endlich umgesetzt werden. Die Sozialdemokratie hatte den Vertrauensauftrag der Bevölkerung wahrgenommen. Und: Österreich ist Republik. Der Paragraph 30 wurde aufgehoben, was hieß, dass Frauen nun wieder legitim politisch agieren konnten. Politikerinnen in der ersten Republik Mit dem Aufschwung der Partei bekamen auch Frauen die Möglichkeit, eine Karriere innerhalb dieser männlichen Strukturen zu forcieren. Andere, die den pazifistischen Grundsatz den Parteiinteressen übergeordnet hatten, engagierten sich sozialistisch. Die bürgerliche Frauenbewegung zerbröckelte. Eine der sechs sozialdemokratischen Frauen, die bis 1933 im Nationalrat saßen, war Adelheid Popp. Durch die Arbeiterbildungsbewegung hatte sie ihre Ausbildung nachholen können, die ihr als Kind nicht zugänglich war. In der ertsen Gesetzgebungsperiode 1920-23 waren insgesamt 12 Frauen (1 Christlich-Soziale, 1 Deutsch-Nationale, Rest Sozialdemokratische) im Nationalrat vertreten. Diese Zahl wurde erst 1974 (!) mit 14 Frauen überboten. Absolute Spitze war der Frauenanteil 1994 mit 25%.. Eine bemerkenswerte Figur in der damaligen Polit-Landschaft war die zum Katholizismus konvertierte Jüdin Hildegard Burjan, die 1919 in den Nationalrat gewählt wurde, aber schon 1920 auf eine Wiederwahl verzichtete: Der Antisemitismus innerhalb der christlich-sozialen Partei artikulierte sich inform einer tiefen Injurie eines Parteikollegen, der sich von einer "preußischen Saujüdin" nicht aus der Politik "vertreiben" lassen wollte. Für die Bekämpfung der Kinderarbeit, Organisation der ausgebeuteten Heimarbeiterinnen und die Gleichberechtigung der Frau setzte sie sich in der von ihr gegründeten Caritas Socialis weiterhin ein. Männerrechtler Die Männer bekamen Angst angesichts der "feministischen Überspitzung" der Emanzipation. Dem mußten Männervereine entgegengestzt werden, um auch die Rechte des Mannes weiterhin etabliert zu wissen. Forderte frau nach dem Wahlrecht jetzt Ausbildungsstrukturen, die Frauen ermöglichen sollten, Matura zu machen und statuierte soziale Absicherung ohne Abhängigkeit vom männlichen Part innerhalb einer Ehe und das Recht auf Öffentlichkeit. Und noch mehr! Die Öffnung des Schulzugangs für Mädchen an Jungenschulen, die auch für WenigverdienerInnen leistbar war, rührte an im Glauben an den Biologismus der Geschlechterdifferenz wurzelnden Ängsten und war war insofern ein wirklicher "Aufbruch". Erpressung 1927 bis 1930 waren nur mehr sechs Frauen im Nationalrat zu finden; wiedergewählt war eine Frau noch nie worden. Die christlich-sozialen Frauen verfaßten ein Memorandum, dass einer Erpressung ähnlich war: Würde keine Frau in eine politische Funktion gewählt werden, würden die Frauen aus dem Wahlkampf aussteigen. Und das saß: Immerhin stellten die christlich-sozialen Frauen mit 150.000 WählerInnen im Rücken einen ernstzunehmenden politischen Faktor dar. Die Frauen-Fraktion der damals schon vertretenen Deutsch-Nationalen kam mit derselben Bedingung, nur drohten sie mit aktiver Unterstützung der Frauenpartei. Die ehemals "freisinnigen Frauen" taten mit dieser reinen Frauenpartei wieder einen Schritt in die Öffentlichkeit, waren aber nicht erfolgreich. Die Deutsch-Nationalen gaben den Frauen ihrer Partei die Zusage, eine Frau zu wählen. Ein AUS für Menschenrechte Die Frauenpartei wurde 1934 aufgelöst. Im Ständestaat wurden die Subventionen für Frauen- und Mädchenbildung vollends gestrichen. Frauen aus der Öffentlichkeit verdrängt. Das Doppelverdienergesetz beschlossen: Nur einer pro Haushalt kann verdienen. Und das kann der Mann doch besser... Zensuriert wurde jedwede gesetzliche Äußerung inbezug auf Frauenforderungen. Zeitraffer Hitler kam und die Menschlichkeit ging. In der fiktiven "deutschen Frau" verloren sich die vielen. --> Solidarität Wären die 1848 gefordeten Strukturen umgesetzt worden, hätte man und besonders frau nicht Jahrzehnte der Freiheit von Unterdrückung verloren. Erst ab 1960 formierten sich Kräfte wie die "Autonome Frauenbewegung", meta-parteilich und männerfrei, zum Stachel in Kreiskys Fleisch: 1970 wurde das 160 Jahre alte Familienrecht, dass den Mann als Haupt und Befehlsmächtigen der Familie feststellt, gestrichen. Die Abtreibungs-Paragraphen 144 bis 148 ebenfalls. Solidarität im gemeinsamen Kontext ist weiterhin notwendig, um das, was Schrift ist, in Lebensstrukturen einzuschreiben. Auch Frauen 2000 sind zu mehrt flotter im Gravieren! "Mythen und Massen" Führungszyklus Dienstag: Treffpunkt am äußeren Burgtor beim Büchertisch (am Heldenplatz). Ein Rundgang durch die Geschichte ebendieses. 19 Uhr 6. Juni: Prof. Dr. Gerhard Jagschitz: Der Heldenplatz als Ort der Zeitgeschichte 13. Juni. Dr. Johann Sonnleitner: Literatur und Gedächtnis: Wien Heldenplatz 20. Juni: Prof. Dr. Gerhard Botz: Herrschaftsarchitektur und politische Symbole des Heldenplatzes 27. Juni: Doz. Dr. Siegfried Mattl: Die Rechte und die Linke, die politische Kodifizierung des Stadtraumes 4. Juli: Prof. Dr. Anton Pelinka: Österreich ist nicht Österreich - Zur Dialektik der Geschichte (bto)