14:00

Der frühere FPÖ-Politiker John Gudenus ist am Mittwoch wegen Wiederbetätigung verurteilt worden. Gudenus hatte in mehreren Interviews Zweifel an der Existenz von Gaskammern im Nationalsozialismus geäußert und unter anderem gemeint, Gaskammern habe es zwar gegeben "aber nicht im Dritten Reich sondern in Polen". Die Geschworenen befanden Gudenus dafür schuldig, gegen das NS-Verbotsgesetz verstoßen zu haben und verurteilten ihn. Das Urteil: ein Jahr Freiheitsstrafe bedingt.

Das Strafmaß befindet sich im unteren Bereich der gesetzlichen Möglichkeit. Der Strafrahmen für einen Verstoß gegen Paragraf 3H des Verbotsgesetzes (Leugnung und gröbliche Verharmlosung des Holocaust) beträgt ein bis zehn Jahre. Der Wahrspruch der acht Geschworenen fiel eindeutig aus: im ersten Anklagepunkt (betreffend ein "Report"-Interview) erfolgte die Verurteilung mit sieben Ja-Stimmen, beim zweiten Anklagepunkt (betreffend ein STANDARD-Interview) mit acht Ja-Stimmen.

In der Strafbemessung wurde John Gudenus sein "bisher untadeliger Lebenswandel" mildernd angerechnet. Erschwerend war demgegenüber, "dass Magister Gudenus die Taten wiederholt hat", wie Richter Walter Stockhammer ausführte. Die einjährige Freiheitsstrafe wurde vom Gericht unter Setzung einer dreijährigen Probezeit auf Bewährung ausgesetzt. Der Vorsitzende begründete diese Entscheidung mit dem Vorleben des ehemaligen freiheitlichen Bundesrats.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Farid Rifaat meldete unverzüglich Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab. John Gudenus war nach der Urteilsverkündung zu keiner Stellungnahme bereit. Er beantwortete die Fragen der ihn bedrängenden Journalisten nicht und drängte sich schließlich beinahe mit Gewalt und den Worten "Geh, tut's weiter!" an den auf ihn gerichteten Mikrofonen und Kameras vorbei.

Sein Anwalt bezeichnete das Urteil als "Fehlentscheidung." Er halte das Urteil für falsch, ließ Rifaat die Journalisten wissen. Er sei darüber "einigermaßen überrascht, zumal die Geschworenen keine einzige Frage an den Angeklagten gerichtet haben". Er hätte sich "eine größere Beteiligung an einem so sensiblen Thema gewünscht", meinte Rifaat. Er hoffe nun, "dass der Oberste Gerichtshof das Urteil aufhebt."

13:30 Uhr

Die Geschworenen haben sich am Mittwoch kurz nach Mittag zu Beratungen über das Urteil im Wiederbetätigungsprozess gegen John Gudenus zurückgezogen. Zuvor hatten Anklage und Verteidigung in ihren Schlussplädoyers noch einmal ihre Standpunkte klar gemacht: Staatsanwalt Karl Schober forderte eine Verurteilung, Gudenus-Verteidiger Farid Rifaat einen Freispruch.

foto: standard/newald

Gudenus versuchte seine Aussage, wonach es Gaskammern nicht im "Dritten Reich" gegeben habe, sondern in Polen, auch durch ein Video von der Eröffnung der Holocaust-Gedenkstätte in Berlin zu untermauern. Darin ist ebenfalls die Rede davon, dass die Juden-Vernichtung nicht in deutschen Konzentrationslagern, sondern in Vernichtungslagern in "Polen" stattgefunden habe. Für Staatsanwalt Schober ist dieser Vergleich jedoch unzulässig, weil damit ja wohl das heutige Staatsgebiet Polens gemeint sei und kein historischer Staatsbegriff wie der in den Interviews von Gudenus verwendete ("Drittes Reich").

Für Schober hat Gudenus mit seiner Forderung nach einer wissenschaftlichen Prüfung der Existenz von Gaskammern im Dritten Reich klar gegen das Verbotsgesetz verstoßen: "Damit negiert er bewusst den Stand der Geschichtswissenschaft, unterstellt die Unrichtigkeit und leugnet im Kern ein wesentliches Element des nationalsozialistischen Terrors." Die Aussage, es habe keine Gaskammern im Dritten Reich gegeben, sondern in Polen sei außerdem eine "gröbliche Verharmlosung" des Holocaust.

Die Verteidigungsline von Gudenus bezeichnete Schober in seinem Schlussplädoyer als "Unsinn": "Persönliche Unsicherheit" über den Holocaust könne der frühere Abgeordnete mit seinem "überdurchschnittlichen" historischen Wissen nicht geltend machen. Und auch die Differenzierung zwischen dem "Dritten Reich" und dem "Großdeutschen Reich" sei nicht zulässig, da sowohl die Öffentlichkeit als auch die Geschichtswissenschaft unter dem "Dritten Reich" das gesamte NS-Regime von 1933 bis 1945 verstehe.

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Auch Richter Walter Stockhammer konnte mit Gudenus' Differenzierung sichtlich wenig anfangen und hielt ihm einen Auszug aus dem Internet-Lexikon Wikipedia vor, wonach das "Deutsche Reich" erst 1943 offiziell zum "Großdeutschen Reich" wurde. Dass der Angeklagte trotzdem dabei blieb, dass vom "Dritten Reich" nur bis 1938 die Rede sein könne, danach aber nur noch vom "Großdeutschen Reich" quittierte Stockhammer mit einem knappen "Gut. Wie sie meinen".

Verteidiger Farid Rifaat appellierte in seinem Schlussplädoyer an die Geschworenen, Gudenus frei zu sprechen: "Für den Politiker Gudenus sind diese Äußerungen nicht tragbar. Für den strafrechtlichen Tatbestand liegt hier aber kein Vergehen nach dem Verbotsgesetz vor." Gudenus habe niemals generell die Existenz von Gaskammern geleugnet. Rifaat: "Lassen wir die Kirche im Dorf und überspannen wir es nicht."

Gudenus selbst verwies in seinem Schlusswort darauf, dass er Träger der silbernen Verdienstmedaille Wiens und des großen silbernen Ehrenzeichens der Republik Österreich sei. Derartige Auszeichnungen würden normalerweise nicht an politisch Vorbelastete Personen verliehen, argumentierte der frühere FP-Politiker.

11:20 Uhr

John Gudenus warf dem Staatsanwalt vor, aus dem inkriminierten STANDARD-Interview "eine Verfälschung gemacht zu haben." Er habe nie gesagt, es habe Gaskammern "nur in Polen gegeben", betonte der Angeklagte. "Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass Sie mir das Wort 'nur' hier hinein geschmuggelt haben, Herr Staatsanwalt", meinte Gudenus.

Dieser Vorwurf ging allerdings insofern ins Leere, als Gudenus in der Anklageschrift im Wortlaut korrekt zitiert wird und der Staatsanwalt dann dazu anmerkt, dieser habe damit sinngemäß zu verstehen geben wollen, Gaskammern hätten ausschließlich in Polen existiert.

"Sind Sie sich noch immer persönlich unsicher?", interessierte sich das Gericht für die aktuelle Einschätzung des ehemaligen Bundesrats zum Thema Gaskammern. "Über die Gaskammern im Großdeutschen Reich bin ich mir überhaupt nicht unsicher. Was Gaskammern im Dritten Reich betrifft, darf ich doch noch eine gewisse Unsicherheit aufweisen", erwiderte Gudenus. Das "sollte man untersuchen".

Das Dritte Reich bezeichnete Gudenus als "volkstümlichen Begriff". Für ihn stelle dies den Zeitraum 1933 bis 1938 dar, während das Großdeutsche Reich mit der Annexion der angrenzenden Staaten den Anfang nahm und mit der Kapitulation von Hitler-Deuschland zu Ende ging.

Schließlich kam man auch noch auf den Mauthausen-Besuch des pensionierten Bundesheer-Offiziers zu sprechen, bei dem dieser in der KZ-Gedenkstätte gemeint hatte, auf einem Foto abgebildete Häftlinge würden "eigentlich ganz gut aussehen", während er, Gudenus, schlechter aussehe. "Das ist mehr als geschmacklos", befand Richter Walter Stockhammer.

"Ich bin mit einer gewissen Erwartungshaltung hingegangen. Ich habe gelaubt, dass ich Kranke, Tote, Ausgemergelte, Hungernde zu sehen bekomme. Eines der Bilder war aber eine recht gut aussehende Frauengruppe", hielt Gudenus dem entgegen. Dabei habe es sich um "blühend aussehende Leute" gehandelt.

"Ich hätte auch sagen können: 'Sind die falsch hier?' Das war ein unglücklicher Ausrutscher in diese Richtung", verteidigte sich der Angeklagte. Insofern fühle er sich auch schuldig: "Aber für die anderen Aussagen habe ich nichts Unrechtes gemacht. Wenn ich zum Dritten Reich gefragt werde, antworte ich zum Dritten Reich. Wenn ich zum Großdeutschen Reich gefragt werde, antworte ich zum Großdeutschen Reich."

Nach seiner Einvernahme bekamen die Geschworenen ein Video des anklagegegenständlichen ORF-Interviews zu sehen. Gudenus hatte sich im "Report" dafür ausgesprochen, die Frage der Gaskammern "physikalisch und wissenschaftlich" zu prüfen und gemeint, man müsse eine Frage nicht mit ja oder nein beantworten.

11:00 Uhr

Der frühere FP-Mandatar John Gudenus hat sich in seinem Wiederbetätigungsprozess nicht schuldig bekannt. Sein Verteidiger Farid Rifaat betonte, Gudenus habe die Existenz der Gaskammern "nie in Frage gestellt". Staatsanwalt Karl Schober hatte dem Ex-Politiker genau das vorgeworfen und ihm unter anderem seine Aussage in einem Zeitungsinterview vorgehalten, wonach es Gaskammern gegeben habe, "aber nicht im Dritten Reich. Sondern in Polen".

Rifaat sieht diese Aussage jedoch nicht als Verstoß gegen das Verbotsgesetz, das die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust unter Strafe stellt. Gudenus habe nicht generell die Existenz von Gaskammern abgestritten, sondern lediglich die Prüfung der Frage gefordert, ob es schon im "Dritten Reich" Gaskammern gegeben habe. Als "Drittes Reich" gelte jedoch nur die Zeit von 1933 bis zum "Anschluss" Österreichs 1938, meinte Rifaat. Danach sei Hitler-Deutschland bis 1945 das "Großdeutsche Reich" gewesen und für diese Periode sei die Existenz der Gaskammern unbestritten.

Mit dieser Unterscheidung zwischen dem "Dritten Reich" und dem "Großdeutschen Reich" rechtfertigte sich auch Gudenus selbst: Er könne nicht sagen, ob es von 1933 bis 1938 schon Gaskammern gegeben habe, für die Zeit danach sei deren Existenz jedoch "unbestritten", betonte er in seiner Aussage vor den acht Geschworenen. Ob diese Unterscheidung auch dem ORF-Journalisten bewusst war, der mit seinem Interview die Causa Gudenus im Vorjahr ins Rollen gebracht hatte, konnte der pensionierte Bundesheer-Oberst nicht sagen: "Ich weiß nicht, was gemeint war. Wenn er mich nach dem Dritten Reich fragt, dann gehe ich davon aus, dass er weiß, wovon er spricht."

Für Rifaat (Bild) sind die seinem Mandanten vorgeworfenen Aussagen jedenfalls Ausdruck einer "persönlichen Unsicherheit" im Zusammenhang mit dem Holocaust. – Eine Darstellung, die Staatsanwalt Schober nicht gelten lassen wollte: Persönliche Unsicherheit könne nur geltend machen, wer nicht ausreichend über ein Thema informiert sei. Dies Treffe bei Gudenus nicht zu, wie Schober meinte: Der Angeklagte habe sich wiederholt mit dem Holocaust befasst und habe ein "gefestigtes, wenn auch unrichtiges Weltbild" zum Dritten Reich.

Der Ankläger konfrontierte Gudenus in seinem Eröffnungsplädoyer einmal mehr mit seinen diesbezüglichen Aussagen, etwa mit der Forderung nach einer wissenschaftlichen Prüfung der Existenz von Gaskammern im Dritten Reich. "Damit leugnet er im Kern wesentliche Elemente des nationalsozialistischen Terrors und ist im strafbaren Bereich des Verbotsgesetzes", betonte Schober.

foto: standard/newald

Unterstützt wurde Gudenus im Prozess unter anderem von seinem Sohn Johann. Der Vorsitzende des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) folgte dem Verfahren in der ersten Reihe des Besucherbereiches. Mit einem Urteil wird noch am Mittwoch gerechnet.

9:00 Uhr

Im beinahe bis auf den letzten Platz gefüllten Großen Schwurgerichtssaal hat am Mittwoch im Wiener Straflandesgericht der Wiederbetätigungs-Prozess gegen John Gudenus begonnen. Zahlreiche Fotografen und Kamerateams nahmen den ehemaligen freiheitlichen Bundesrat ins Visier, als dieser knapp vor 9.00 Uhr mit seinem Verteidiger Farid Rifaat vor dem Verhandlungssaal erschien.

Gudenus war vor Verfahrensbeginn zu keiner Stellungnahme bereit. Sein Mandant werde eine solche erst vor dem erkennenden Gericht abgeben, ersuchte der Anwalt um Verständnis. Als der vorsitzende Richter Walter Stockhammer mit seinem Senat auf der Bildfläche erschien, hatten die Bildberichterstatter ihre Tätigkeit einzustellen. "Mit dem Filmen aufhören!", forderte der Richter in forschem Tonfall.

Anschließend wurde der Angeklagte zu seinen persönlichen Daten befragt. "Von Beruf bin ich Soldat gewesen", erwiderte Gudenus auf die Frage nach eben diesem. Als Besitz gab der pensionierte Oberst des Bundesheers und frühere FPÖ-Abgeordnete unter anderem 200 Hektar im Waldviertel an. "Ein Naturdenkmal", wie er feststellte. (APA/red)