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John Gudenus auf der Anklagebank

Foto: REUTERS/Heinz-Peter Bader
Wien – "Also gut, komme er doch her", hatte John Gudenus zum ORF-Reporter gesagt, erinnert er sich. Und er weiß, das war ein Fehler. Denn im Interview ist dann prompt wieder "diese Frage" aufgetaucht, die nach der Existenz von Gaskammern. "Herr Hofrat, diese Frage war mir zutiefst zuwider", beteuert er. (Herr Hofrat ist Richter Walter Stockhammer.) Und dann sei er auch noch "ungeschickt genug" gewesen, darauf zu antworten. Da hat dann die Staatsanwaltschaft Voruntersuchungen eingeleitet.

"Von Beruf bin ich Soldat"

Gehasst hat er die Frage auch ein paar Monate später, im Gespräch mit der STANDARD-Redakteurin. Da wollte er sie endlich aus der Welt schaffen. Da erwiderte er: "Ja, es gab Gaskammern, aber nicht im Dritten Reich. Sondern in Polen. So steht das auch in Schulbüchern." – Und jetzt sitzt er hier, im prall gefüllten Großen Schwurgerichtssaal. Die einzig würdevolle Bemerkung bringt er gleich zu Beginn der Verhandlung unter. "Von Beruf bin ich Soldat", darf er melden. (Mit der kleinen Einschränkung: "Jetzt bin ich Pensionist.") Und dann verfolgt ihn sogleich wieder diese ekelige Frage, diesmal gar strafrechtlich, nach dem NS-Verbotsgesetz. Und sie verfolgt ihn schlussendlich bis zur Verurteilung: ein Jahr bedingte Haft wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung.

Unsicherheit

Dabei hat der frühere freiheitliche Mandatar diesmal eine außergewöhnliche Antwort parat, Verteidiger Farid Rifaat hat harte Arbeit geleistet. Ja, sagen beide überzeugt, selbstverständlich habe es Vernichtungslager gegeben. "Über die Gaskammern im Großdeutschen Reich bin ich mir überhaupt nicht unsicher", bemerkt Gudenus. Er will sich da auch gar nicht mehr nur auf Polen beschränken. Was aber diese "schrecklichen Einrichtungen" im Dritten Reich betrifft: "Da darf ich doch noch eine gewisse Unsicherheit aufweisen", bittet er. Denn er unterscheidet (seit mindestens drei Wochen) stringent: 1933 bis 1938 – Drittes Reich. 1939 bis 1945 – Großdeutsches Reich. Wenn er die Existenz von Konzentrationslagern angezweifelt habe, so habe er immer nur die Zeit bis 1939 gemeint. Und ob es da schon irgendwelche entsetzlichen Einrichtungen gegeben habe, das sei ein Thema, worüber man einfach diskutieren müsse, habe er immer gemeint und meint er auch noch heute. "Nicht so wie Licht am Tag für Autofahrer", vergleicht er. "Da brauche ich nicht lange nachdenken, das ist eine Gegebenheit."

Ein Stückchen abseits der kniffligen Frage wird der pensionierte Bundesheeroffizier dann auf seinen Besuch in Mauthausen angesprochen.

Dort meinte er angesichts eines Fotos in der KZ-Gedenkstätte, dass die Häftlinge "eigentlich ganz gut aussehen", er, Gudenus, sehe vergleichsweise schlechter aus. Dazu meint er heute: "Herr Hofrat, Sie kommen in eine Ausstellung und gehen dort mit einer gewissen Erwartungshaltung herein. Ich sehe dann lauter Bilder von Kranken, Toten, Ausgemergelten, Hungernden. Doch eines der Bilder war eine recht gut aussehende Zwei-Frauen-Gruppe." – "Aber so eine Bemerkung ist doch mehr als geschmacklos", schimpft der Richter. "Bitte, das waren blühend aussehende Leute", verteidigt sich Gudenus. "Ich hätte te auch sagen können, die müssen falsch hier sein."

Mauthausen-Auftritt bleibt strafrechtlich folgenlos

Gudenus' Mauthausen-Auftritt ist für Staatsanwalt Karl Schober zwar bezeichnend, aber strafrechtlich nicht zu verfolgen. Mit seiner Forderung nach einer Prüfung der Existenz von Gaskammern im Dritten Reich verstoße der Ex- Mandatar aber klar gegen das Verbotsgesetz: "Damit negiert er bewusst den Stand der Wissenschaft, unterstellt die Unrichtigkeit und leugnet im Kern ein wesentliches Element des Terrors." Die Verteidigungslinie bezeichnet Schober als "Unsinn". Unter dem Dritten Reich verstehe sowohl die Öffentlichkeit als auch die Geschichtsforschung das gesamte NS-Regime von 1933 bis 1945.

Schluss

In seinem Schlusswort möchte Gudenus wenigstens darauf hinweisen, dass er Träger der silbernen Verdienstmedaille Wiens und des großen Ehrenzeichens der Republik Österreich sei. Trotzdem sprechen ihn die Geschworenen einmal einstimmig ( STANDARD-Interview ) und einmal mit sieben zu einer Stimme (ORF-Interview) schuldig. Finanziell wirkt sich die Strafe für ihn nicht aus. Hätte er mehr als ein Jahr bedingt bekommen, wären Pensionseinbußen damit verbunden gewesen. Aber das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.4.2006)