Der "Vetsera-Entführer" Helmut Flatzelsteiner 14 Jahre nach der Tat.

Foto: STANDARD/Markus Rohrhofer

Mary Freiin von Vetsera, 18-jährige Geliebte von Kronprinz Rudolf, trug am Tag des gemeinsamen Todes ihr Eislaufkleid. Zumindest wurde dies neben Schuhen im Sarg gefunden.

Foto: Flatzelsteiner

Der Schädel, den er fand, war von einer Kugel durchlöchert worden – womit die Mayerling-Tragödie bewiesen war. Mit ihm sprach Markus Rohrhofer.

STANDARD: Was hat sie im Juli 1991 veranlasst, dem Mayerling-Rätsel als Vetsera-Grabräuber nach zu gehen?

Flatzelsteiner: Ein Buch mit der skurrilen These, dass Mary Vetsera an den Folgen einer missglückten Abtreibung verblutet sei. Am Schluss stand, dass es die Stiftsleitung in Heilgenkreuz ablehnt, jemals das Grab zu öffnen. Damit gab es für mich nur eine Lösung . . .

STANDARD: . . .bei Nacht und Nebel zur Gruft der Vetsera.

Flatzelsteiner: Ich bin natürlich nicht einfach so nach Heiligenkreuz, sondern habe alles geplant. Generell ist es für einen Möbelhändler aber nicht so schwierig, eine Gruft-Platte zu heben – man ist es gewohnt, schwere Sache zu schleppen.

STANDARD: Was ist dann in der Nacht zum 26 .Juli 1991 genau passiert?

Flatzelsteiner: Wir sind zu zweit im Lieferwagen auf den Friedhof von Heilgenkreuz gefahren. Das Ganze war keine leichte Gschicht`: Wir haben mit Wagenhebern die erste Steinplatte der Gruft mühsam gehoben, Holzbalken unterlegt und den Stein vorsichtig weggerollt.

STANDARD: Hatten sie nicht Angst erwischt zu werden?

Flatzelsteiner: Ehrlich gesagt, ich hatte die Hosen gestrichen voll. Das war nichts für schwache Nerven, obwohl ich sonst ein Mensch bin, der nachts gerne auf den Friedhof geht.

STANDARD: Die Gruft ist offen – wie war der erste Blick ins Grab der Baronesse?

Flatzelsteiner: Finster. Ich bin dann auf einer Leiter in die Gruft gestiegen, dann haben wir versucht, denn Zinnsarg mit Stricken aus dem Grab zu ziehen. Als wir ihn aufstellten sind die ganzen Knochen nach unten gerutscht. Ordentlich schaurig, wenn um Mitternacht am Friedhof plötzlich Gebeine klimpern.

STANDARD: Sie entführten Mary Vetsera nach Linz. Was ist dann passiert?

Flatzelsteiner: Im Keller meines Geschäftslokals haben wir den Zinn-Sarg mit der Flex geöffnet. Es hat immer geheißen, der Sarg ist leer, doch es war alles drinnen: Skelett, Kleidung, Haare, Schuhe. Nur alles durcheinander und gestunken hat die Vetsera wie der Teufel.

STANDARD: Haben sie die Gebeine gleich gerichtsmedizinisch untersuchen lassen?

Flatzelsteiner: Ja. Ich hab denen erzählt, es sei meine tschechische Urgroßmutter.

STANDARD: Warum dann der Schritt an die Öffentlichkeit im Dezember 1992?

Flatzelsteiner: Die Rückgabe war eigentlich schon viel früher geplant, doch plötzlich finden die 1992 den Ötzi. Da musste ich noch warten.

STANDARD: Die Wahrheit kam aber erst im zweiten Anlauf ans Tageslicht. Zuerst behaupteten sie, man hätte ihnen Vetsera um 30.000 Schilling angeboten.

Flatzelsteiner: Stimmt. Strafrechtlich gab es aber nie Konsequenzen.

STANDARD: Halten sie ihre Grabschaufel schon bereit falls der Film "Kronprinz Rudolf" neue Gerüchte schürt?

Flatzelsteiner: Nein. Mein Interesse an Mary Vetsera ist heute nicht mehr so groß. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 4. – 1. 5. 2006)