Wien/Hamburg - Das russisch-deutsche Projekt einer Gas-Pipeline durch die Ostsee erhitzt in Polen die Gemüter. Das Vorhaben ähnele dem Hitler-Stalin-Pakt, polterte Polens Verteidigungsminister Radek Sikorski und griff auch die deutschen Kanzlerin Angela Merkel und ihren Vorgänger Gerhard Schröder an.

Ungleichbehandlung

"Wir sind besonders sensibel, wenn es um Korridore geht und darum, den Osten Europas anders zu behandeln als den Westen", sagte der polnische Verteidigungsminister zu "Spiegel Online". "Das erinnert an Locarno und an den Molotow-Ribbentrop-Pakt. Das ist 20. Jahrhundert."

Der Nichtangriffspakt zwischen Nazi-Deutschland und der stalinistischen Sowjetunion hatte 1939 zu einer Aufteilung Polens zwischen den beiden Mächten geführt.

Konsultationen angeboten

Zwar habe Bundeskanzlerin Merkel den Polen Konsultationen zur Pipelinefrage angeboten, sagte der Minister auf Nachfrage weiter. Die deutsche Regierungschefin habe aber keine Bereitschaft gezeigt, an dem Deal etwas zu ändern.

"Erst Entscheidungen zu treffen und dann Konsultationen anzubieten, ist nicht unsere Vorstellung von europäischer Solidarität", so Sikorski. "Wir sind erstaunt, dass Deutschland etwas tut, das zum Nachteil der deutschen Konsumenten ist und dessen geopolitisches Ziel gegen Polen gerichtet ist."

Die Ostsee-Pipeline wurde im vergangenen Jahr vom damaligen deutschen Bundeskanzler Schröder und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vereinbart. Schröder ist inzwischen Aufsichtsratspräsident des Pipeline-Konsortiums NEGP.

Versorgung von Polen und Weißrussland auf dem Spiel

Die Gas-Pipeline soll über die Ostsee und nicht über polnisches Land nach Deutschland führen. Das Projekt wird vom Gasmonopolisten Gazprom verantwortet, allerdings sind auch BASF und Eon beteiligt. Sikorski warf Deutschland vor, damit die russische Absicht zu unterstützen, Polen und Weißrussland von der Versorgung abzuhängen.

Die deutsche Bundesregierung nahm zunächst keine Stellung zu den Vorwürfen. (APA)