Birken - und Beifußpollen unter dem Mikroskop

Foto: Techniker Kasse
Schön und teuflisch zugleich sind sie, die frischen Blüten an den Bäumen Sträuchern. Die Pollen sind schuld, dass Allergiker derzeit wie Kaninchen vor der Schlange sitzen und darauf warten, dass die Nase zu jucken beginnt. Beim einen rinnt sie früher, beim anderen später. Mit manchen treibt die Natur mit juckenden Augen, Niesanfällen und Luftnot ein besonders übles Spiel. Jeder fünfte Österreicher leidet an einer allergischen Erkrankung - Tendenz steigend.

Körper bildet Immunglobulin-E-Antikörper

Zu einer Allergie kommt es, wenn die Abwehrzellen des Immunsystems fremde Substanzen, so genannte Allergene, fälschlicherweise als gefährlich einstufen und sie dann sozusagen mit allen Mitteln bekämpfen, um sie aus dem Körper zu bekommen. Der Körper bildet dann besonders viele so genannte Immunglobulin-E-Antikörper (IgE). Diese binden rasch bestimmte Gewebezellen, die so genannten Mastzellen, und zwar durch Rezeptoren an der Oberfläche. Der Körper legt eine Art Steckbrief zur Erkennung des Allergens an, ohne dass es der Heuschnupfen-Geplagte gleich merkt.

Die allergische Reaktion

Kommt es später zu einem erneuten Allergenkontakt, reagiert der Körper sofort: Es kommt zur allergischen Reaktion - die IgE-Antikörper auf den Mastzellen erkennen das Allergen wieder und bewirken die Ausschüttung von Botenstoffen. Der wichtigste Botenstoff ist das Histamin, das heftige Reaktionen wie Juckreiz, Augentränen, Fließschnupfen und Atemnot auslöst.

Jeder Zehnte leidet an Blütenpollenallergien

Die häufigste allergische Erkrankung ist der Heuschnupfen. Er wird ausgelöst durch den Kontakt mit Blütenpollen. Jeder zehnte Österreicher leidet daran. Die therapeutischen Möglichkeiten bei Allergien sind leider begrenzt. Die bisher eingesetzten Medikamente, beispielsweise Antihistaminika und kortisonhaltige Arzneimittel, können lediglich die Symptome, nicht aber die Ursachen bekämpfen. Allerdings gibt es seit Kurzem ein neues Medikament.

Neues Medikament - heilende Antikörper

"Das Wirkprinzip ist einfach", sagt Norbert Weber von den Asklepios Fachkliniken München-Gauting, "der künstlich hergestellte Anti-IgE-Antikörper Omalizumab bindet freie Antikörper im Blut." Diese Antikörper seien nicht mehr in der Lage, an Mastzellen oder andere Immunzellen anzudocken. Die allergische Kettenreaktion werde so kurz nach Beginn bereits gestoppt. "Die bisherigen Studien sind viel versprechend: Die allergischen Reaktionen werden abgeschwächt, und die Lungenfunktion verbessert", sagt Weber.

SIT - Spezifische Immuntherapie

Aufgrund seiner hohen Kosten wird Omalizumab jedoch nur bei schwerem Asthma eingesetzt. Aber auch das neue Arzneimittel lindert nur die Beschwerden, beeinflusst jedoch den Verlauf allergischer Erkrankungen nicht.
Die einzige Behandlungsform laut Weltgesundheitsorganisation (WHO), die das kann, ist die Spezifische Immuntherapie (SIT).

So funktioniert die Hyposensibilisierung

Ziel von SIT, auch Hyposensibilisierung genannt, ist es, eine Toleranz des Körpers gegen die Allergieauslöser zu erzeugen. "Dafür bekommen die Patienten drei Jahre lang in regelmäßigen Abständen Allergene in die Haut gespritzt", erklärt Weber. Die Injektionsimpfung verbessere bei rund neunzig Prozent der Patienten die Beschwerden oder befreie sie sogar ganz von der Allergie. Allerdings birgt SIT auch gewisse Risiken. Leichte Lokalreaktionen sind häufig, in seltenen Fällen können auch Asthma und andere allergische Symptome auftreten.

SLIT - Tropfen statt Spritzen

Seit einigen Jahren gibt es eine nebenwirkungsärmere Alternative, die sublinguale Immuntherapie, kurz SLIT. Statt Spritzen bekommen die Patienten Tropfen, die sie zu Hause unter die Zunge träufeln. "SLIT lindert zwar ebenfalls die Beschwerden", sagt Norbert Reider, Professor für Dermatologie an der Universität Innsbruck, "es fehlen jedoch weit gehend Studien, die beide Immuntherapien direkt miteinander vergleichen, sowie Daten zur Langzeitwirksamkeit und Therapie von Asthma." Der Innsbrucker Forscher hat alle bisherigen Studien zu SLIT zusammengetragen und untersucht. Seine Ergebnisse veröffentlichte er kürzlich im Wissenschaftsmagazin International Archives of Allergy and Immunology.

Impfung oder Immuntherapie?

"Empfehlen würde ich die Impfung derzeit nur Erwachsenen mit Heuschnupfen, die keine SIT mitmachen können, beispielsweise wegen starker Nebenwirkungen", sagt Reider. Anderen Allergikern rät er zur herkömmlichen Immuntherapie. Statt Angst vor den Blüten wäre die uneingeschränkte Vorfreude auf den Frühling nämlich die schönste Perspektive. (Lisa Eversmann/Medstandard, 02.05.2006)