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Kokos statt Gummibär...

Foto: Archiv

Wenn sich beim Wienmarathon Karibikfeeling einstellt, liegt das an den Kokosnüssen. Die darin enthaltene Flüssigkeit soll nämlich Saft in müde Läuferbeine bringen: Als "100 % biologischer isotonischer Durstlöscher" wird "Dr. Martins' Coco Drink" beim City Marathon der interessierten Öffentlichkeit präsentiert, die damit eine erfrischend natürlich schmeckende Alternative zum üblichen Sportgetränkearoma Gummibär erhält. Statt in der unhandlichen Originalverpackung, die noch dazu unsportliche Assoziationen an Hängematten unter Palmen weckt, serviert Dr. Martins sein Kokoswasser im Tetrapack, und das schon seit rund drei Jahren. Um den Bekanntheitsgrad des in Supermärkten (in der Bioecke zu finden, 500 ml circa 2,49 Euro) und Reformhäusern verkauften Getränks zu dynamisieren, heftet man sich nun also an Sportlerfersen. Und das ist gar nicht so abwegig, denn die optimale Energiezufuhr kann in der Spitzengruppe entscheidende Hundertstelsekunden Vorsprung bringen und auch beim Stunden später eintrudelnden Hauptfeld für gute Haltungsnoten im Endspurt sorgen.

Mit den körpereigenen Reserven allein kommt man nämlich nicht weit: 300 bis 400 Kilokalorien Energie holt man aus den Beinmuskeln, ebenso viele aus der Leber und rund 100 aus dem Blutzucker. Das reicht für nicht einmal eine Stunde Marathon, dann geht einem die Kraft aus. Blutzuckerabfall, matter Trott statt flotter Lauf - der "Hunger-Ast", den jeder Läufer kennt: Gummiknie, Schwindelgefühle, Erschöpfung. Wenn es so weit gekommen ist, ist der Marathon auch schon gelaufen.

Trinken wie ein Pferd, das wie ein Spatz trinkt

Damit es nicht dazu kommt, heißt es trinken wie ein Pferd, das wie ein Spatz trinkt: also große Mengen, die man aber nicht in einem Guss reinkippt, sondern in unendlich vielen, kleinen Schlucken nippt. Der Rat basiert auf wissenschaftlichen Studien: "Bei einer Zufuhr von zwei Gramm Kohlenhydrate pro Minute ist die optimale Oxidationsrate erreicht und damit die maximale Leistungsfähigkeit sichergestellt", weiß der Wiener Sportmediziner Gerhard Smekal, Fachmann für Leistungsphysiologie - er untersucht, was im Körper passiert, wenn man sich körperlich anstrengt. Für einen Durchschnittsläufer bedeutet diese Rechnung, dass er 1,7 Liter pro Stunde trinken sollte, um nicht restlos ausgepowert über die Ziellinie zu torkeln.

"Was mit dem Schweiß verloren geht, muss ersetzt werden"

1,7 Liter pro Stunde, das bedeutet permanentes Nuckeln an der Wasserflasche, aus der weder Wasser, Obi gespritzt oder gar alkoholfreies Bier, wie es als Geheimtipp mancherorts empfohlen wird, sondern "am besten ein isotonisches Getränk" fließt, rät jedenfalls der Mediziner, der Sportlernahrungsindustrie zu vertrauen, da die optimale Zusammensetzung der Sportgetränke "aller großen Hersteller" in jahrelangen Studien ermittelt worden sei. "Man weiß ja längst, was man braucht: Was mit dem Schweiß verloren geht, muss ersetzt werden", erklärt Smekal. Also im Wesentlichen Wasser, Elektrolyte und Mineralstoffe (Magnesium, Kalium, Natrium, Eisen). Weil Kohlenhydrate die Aufnahme dieser Stoffe im Verdauungstrakt beschleunigen, enthält das perfekte Sportgetränk Zucker, am besten zwei verschiedene Zuckerarten wie Fructose und Maltodextrin, wobei sich ein Anteil zwischen sechs und acht Prozent als Energieturbo erwiesen hat. Alles gründlich erforscht, die Zutatenlisten der Sportgetränke unterscheiden sich deshalb vor allem durch ihre Aromastoffe - "echte Neuigkeiten kann man sich da nicht mehr erwarten", glaubt Semkal.

Das Neue findet sich auch bei "Dr. Martins Coco Drink" nicht in den Inhaltsstoffen, die dem Anforderungsprofil an einen Iso-Drink mustergültig gerecht werden und dabei zu 100 Prozent aus der Nuss kommen, statt aus dem Reagenzglas. Meter machen sollte die Entwicklung des in Wien lebenden brasilianischen Sportarztes Antonio Martins da Cunha also jedenfalls bei Sportlern mit entwickelten Geschmackspapillen. Susanne Rössler/Der Standard/rondo/05/05/2006)