Keine Einigung erreichten die Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten am Freitag über Änderungen bei der Besteuerung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen.

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Unterschiedliche Interpretationen gab es am Freitag nach den Beratungen der Finanzminister der 25 Mitgliedstaaten über das von der österreichischen EU-Präsidentschaft geschnürte Mehrwertsteuerpaket.

Während der Ratsvorsitzende, Österreichs Finanzminister Karl-Heinz Grasser, davon sprach, dass die meisten Länder den Vorschlag "stark unterstützt" hätten, gab der deutsche Finanz-Staatssekretär Thomas Mirow eine andere Bewertung ab: Deutschland und Luxemburg hätten den Vorschlag abgelehnt, eine Reihe von Ländern habe erhebliche Zweifel angemeldet, darunter Tschechien, Portugal und Malta.

Grasser will nun bilaterale Gespräche führen und im Juni beim nächsten Finanzministertreffen einen neuen Anlauf wagen. Aber Mirow kündigte bereits an, Deutschland könne dem Paket nicht zustimmen, "weder jetzt noch im Juni". Auch Luxemburg soll sich entsprechend geäußert haben. Bei Steuerfragen ist Ein^stimmigkeit erforderlich.

Im Kern geht es darum, dass Grasser – unterstützt von EU-Steuerkommissar László Kovács – erreichen will, dass Dienstleistungen künftig am Ort der Konsumation besteuert werden und nicht mehr dort, wo Unternehmen ihren Sitz haben.

Denn das hat dazu geführt, dass sich Telekommunikationsunternehmen wie Skype oder AOL auf der portugiesischen Insel Madeira oder in Luxemburg angesiedelt haben, wo der Mehrwertsteuersatz nur 15 Prozent beträgt. Grasser sprach von der Notwendigkeit, "das Mehrwertsteuersystem an unsere Zeit anzupassen" und verwies auf zunehmenden elektronischen Handel und Bezahlfernsehen.

"Wer Pay-TV in Österreich schaut, soll auch dort Steuern zahlen und nicht auf einer weit entfernten Insel, die zwar zu Europa gehört, aber extrem niedrige Mehrwertsteuersätze anbietet." Nach Ansicht von EU-Steuerkommissar Kovács führt das derzeitige "Herkunftslandprinzip" zu Wettbewerbsverzerrungen.

Deutschland will auch deshalb das Gesamtpaket ablehnen, weil Österreich damit auch den jahrelangen Streit mit Berlin über grenzüberschreitendes Leasing von Autos lösen will, das laut Grasser zu Steuerausfällen von 400 Millionen Euro führt. Grasser sagte, das sei "nicht die Motivation" für sein Mehrwertsteuerpaket gewesen.

Keine Einigung gab es auch bei der erstmals im Ministerkreis geführten Diskussion über eine mögliche Besteuerung der massiv gestiegenen Gewinne der Ölkonzerne. Auch Grasser lehnt den Vorschlag ab: "Das macht nur Sinn, wenn man das auf einer weltweiten Basis macht." (DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.5.2006)