Wien - Das Festwochenprojekt des deutschen Theater- und Politaktionisten Christof Schlingensief führt zu Debatten. Der deutsche Regisseur, der von Festwochen Schauspieldirektor Luc Bondy kurzfristig als Festwochen-Teilnehmer eingeladen wurde, bereitet für Wien die Aufstellung von Containern vor, die nach dem Vorbild der TV-Serie "Big Brother" umzäunt und abgeschirmt werden sollen. Als BewohnerInnen hat Schlingensief ein Dutzend AsylbewerberInnen vorgesehen. "Bitte, liebt Österreich" In der Donnerstag-Ausgabe der Tageszeitung "Kurier" berichtet Schlingensief im Interview, dass er die Aktion ursprünglich für die Salzburger Festspiele gedacht habe - "Aber die sind zu feige". In Wien soll das Projekt jetzt unter dem Titel "Bitte, liebt Österreich. Erste europäische Konzentrationswoche" laufen, wobei über die täglich rauszuwählenden (abzuschiebenden) AsylwerberInnen via Internet abgestimmt werden soll. Standortfrage Über den Container-Standort der Aktion, die vom 11. bis 17. Juni laufen soll, werden noch keine Angaben gemacht. Feststeht derzeit nur, das die Container in der Wiener Innenstadt nicht gern gesehen sind. Der Staatsoperndirektor Ian Holländer befürchtet eine Störung der Spiele, wenn das temporäre Kunstdepot in der Verlängerung der Kärtner Strasse aufgestellt würde. Marboe kontra F: "Neuerlicher Gipfelpunkt der Selbstentlarvung" Hatte der ÖVP-Kulturstadtrat Marboe in einer Aussendung freitags noch bewußt auf das Wort "Kunst" inbezug auf Schingensief-Aktionen verzichtet, verwehrt er sich jetzt gegen die freiheitliche Wertung seiner Aussage: F-Kultursprecherin Unterreiner erklärte nämlich, dass "es zwar schön sei, dass VP-Stadtrat Marboe die Haltung der Freiheitlichen übernommen hat, ich frage mich aber wie er seine bisher gemachten Fehler wieder gutmachen will" und erinnerte an ihre Forderung, Schlingensief auszuladen. "Entlarvend und bedrohlich" nannte Marboe den Vorwurf Unterreiners, sich beim Vertragsabschluss mit dem designierten Festwochenintendanten Luc Bondy nicht "in künstlerische Belange eingemischt" und damit jegliche politische Verantwortung aufgegeben zu haben. Die künstlerische Leitung der Wiener Festwochen habe sein "volles Vertrauen", so Marboe. Der "unbestrittene Theatermagier" Bondy sei ein "großes Glück für Wien, und ich bin froh, dass er sich bereit erklärt hat, ab dem Jahr 2002 die künstlerische Gesamtverantwortung für die Wiener Festwochen zu übernehmen". Grüne Huemer spricht von persönlicher Aburteilung Von der oppositionellen Seite kam der Vorwurf, dass Marboe bereits im Vorfeld ein Kunstprojekt aburteile, das er noch gar nicht kennen könne. "Die Verantwortung des künstlerischen Niveaus für die Festwochen liegt bei den zuständigen IntendantInnen. Ihr persönlicher Geschmack für oder gegen einzelne Projekte aus dem Festwochenprogramm ist unerheblich und - wie ich hoffe - ohne weitere Konsequenz für die Durchführung", so die Kultursprecherin der Grünen Friedrun Huemer in dem Schreiben. Kontra Grün-Vorwurf Die Grüne Politikerin müsse doch endlich verstehen, dass man nicht jede persönliche Meinung ab- oder aufgeben muss, um konsequente und freie Kulturpolitik zu machen. Es werde, so der Kulturstadtrat "so wie auch jetzt, künftig hin keine Vorzensur, keine Vorverurteilung und auch keinen Eingriffsversuch in die künstlerische Autonomie der Wiener Festwochen oder sonstiger Kultureinrichtungen geben", betonte Marboe. Marboe befürchtet nur Niveauabsenkung "Wenn man, so durchschaubar von links und gleichzeitig so entlarvend von rechts, kritisiert wird, dann hat man als Vertreter eines offenen urbanen Weltbildes und des klaren Bekenntnisses zur Freiheit der Kunst das gute Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein", sagt Marboe. "Ich habe keineswegs zum kommenden Event Stellung genommen, sondern mir nur aus der Kenntnis der letztjährigen Projekte Schlingensiefs gewünscht, dass sie nicht zu sehr aus dem hohen künstlerischen Anspruch der Wiener Festwochen herausfallen." Christoph Schlingensiefs Homepage: www.christophschlingensief.de Informationen zur Wien-Aktion: www.schlingensief.com (APA/bto)