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Evo Morales: "Ich habe das Gefühl, Sie haben geglaubt, dass wir Indigene Leute mit Federn am Kopf sind. Aber wir sind ganz normale Leute mit Rechten und Pflichten"

Foto: Reuters/Foeger
"Sie sind einer der Stars", meinte der Korrespondent des spanischen Senders TVE zu Boliviens Präsident Evo Morales, dem ein kurzes Lächeln enthuschte. Der Andrang im Briefingraum 18 auf dem Messegelände war entsprechend, die Temperatur auch. Immer wieder wischte sich Morales, der diesmal zwar nicht seinen bereits berühmt gewordenen Pullover, sondern eine dicke, dunkelbraune Lederjacke trug, über die Stirn.

"Ich habe das Gefühl, Sie haben geglaubt, dass wir Indigene Leute mit Federn am Kopf sind. Aber wir sind ganz normale Leute mit Rechten und Pflichten", meinte Morales und rief die Europäer auf, "die dunkle Geschichte" aufzuarbeiten, die mit der Kolonisierung Amerikas und der Entrechtung indigener Völker verbunden ist.

Vorwürfe an Ölgesellschaften

"Bolivien gehört jetzt den Indigenen", verteidigte er die von ihm am 1. Mai durchgesetzte Verstaatlichung des Erdgas- und Erdölsektors. Vorwürfe von Brasiliens Präsident Lula da Silva, nicht rechtzeitig über den Schritt informiert worden zu sein, wies er zurück. Den ausländischen Öl- und Gasgesellschaften warf Morales vor, unter seinen Vorgängern illegale und verfassungswidrige Verträge abgeschlossen zu haben. Er nannte sie "Banditen", was der Dolmetscher - wie einiges andere auch - lieber nicht übersetzte.

Keine Entschädigung

Entschädigungen für die von der Verstaatlichung des Energiesektors betroffenen Unternehmen lehnte Morales ab. "Wenn wir technische Anlagen und Ausrüstung enteignet hätten, würde es um Entschädigungen gehen, aber in diesem Fall haben wir niemanden enteignet."

Morales kündigte in Wien an, noch einen Schritt weiter zu gehen. "Die Verstaatlichung wird nicht bei den Ölressourcen stoppen, wir werden das auch auf großen Landbesitz ausdehnen." Laut Berichten will Morales bereits in den nächsten zwei Wochen eine Landreform ausrufen und Großgrundbesitz beschlagnahmen, wie dies in Venezuela Präsident Hugo Chávez getan hat.

Chávez will Morales aber dahingehend beeinflussen, sich den Austritt aus dem Andenpakt, dem auch Peru, Ecuador und Kolumbien angehören, noch zu überlegen. Er habe deshalb Chávez einen Brief geschrieben.

Als Morales nach einer Dreiviertelstunde die erste Antwortrunde beendet hatte, schaltete sich ein Mitarbeiter der EU-Präsidentschaft mit dem Hinweis ein, dass die Pressekonferenz der amtierenden Ratsvorsitzenden, der österreichischen Außenministerin Ursula Plassnik, soeben - mit 38-minütiger Verspätung - begonnen habe. Nur drei Journalisten standen auf.

Plassnik wurde dann zu den Verstaatlichungen in Bolivien gefragt. Plassnik sprach das Problem der Rechtssicherheit insbesondere für Investoren an. Die EU erwarte bei diesem wichtigen Punkt von Bolivien "Klarstellung über die Vorhaben", konterte sie.

Zum Verhältnis zu Kuba sagte Plassnik, der von der EU praktizierte "kritische Dialog" solle für Kuba "eine Ermunterung zu Reformen" sein. Ansonsten erwarte sie sich vom Gipfel in Wien "Impulse" für die weitere Zusammenarbeit zwischen den Staaten der EU und Lateinamerikas. "Wir wollen frischen Wind, neue Perspektiven in diese Partnerschaft einbringen." Sie betonte, dass über "die Zukunft eines Drittels der UNO-Staaten" gesprochen wird.

Morales nahm auch Bezug auf Österreich. Angesprochen auf den Kokainkonsum eines österreichischen Sängers - Rainhard Fendrich - sagte er: "Wenn dieser österreichische Musiker nicht Drogen genommen hätte, würde bei uns das Problem nicht so groß sein." Dann kündigte er noch an, "die nächsten 24 Stunden für Interviews zur Verfügung zu stehen", ehe er verschwand. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.5.2006)