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Evangelina Carrozzo (25) wurde mit ihrer Protestaktion weltberühmt.

Foto: APA
Furchtbar nervös sei sie gewesen, erzählt Evangelina Carrozzo. Die 25-jährige argentinische Sambakönigin hatte sich als Journalistin für den EU-Lateinamerika-Gipfel akkreditiert. Als klar war, dass sie in den Pool jener Medienvertreter kommen würde, die zum Gruppenfoto der Staats-und Regierungschefs vorgelassen werden, habe sie sich vorher rasch in einer Toilette umgezogen. Denn so einen knappen Bikini trage sie schließlich nicht immer, stellt die Studentin der Ernährungswissenschaften klar, die, ohne zu zögern, gleich ihre Maße preis gibt: 85-62-90.

Als die Fotoapparate klickten, legte die langhaarige attraktive Frau ihre Kleidung ab und stakste provozierend mit spärlicher Stoffbedeckung und mit hochhakigen Stiefeln auf die Politiker, die immerhin ein Drittel der UNO-Mitglieder repräsentieren, zu. Sie reckte ihr Schild hoch, auf dem stand: "Nein zur Papierbrei-Verschmutzung."

Mit ihrer Aktion protestierte Carrozzo gegen den Bau zweier Papierfabriken, die von europäischen Konzernen an der argentinisch-uruguayischen Grenze errichtet werden sollen. Argentinien befürchtet Abholzung und Wasserverschmutzung durch das Projekt am Grenzfluss Uruguay und hat bereits den Internationalen Gerichtshof angerufen. UN-Generalsekretär Kofi Annan wollte in Wien diskret vermitteln.

Dank Carrozzos Aktion ist das Problem nun weltweit bekannt. Sie selbst stammt aus der betroffenen Grenzstadt Gualeguaychú in der Provinz Entre Rios. Ihr Auftritt sorge in ihrer Heimat für beträchtliche Aufregung, hätten ihr ihre Eltern am Telefon berichtet, die so wie andere Umweltaktivisten "sehr stolz" auf sie seien, erzählt Carrozzo. Ständig läute das Telefon und sie müsse Interviews geben, auch internationale Sender interessierten sich für sie.

Weil "alles sehr schnell gegangen" sei und sie rasch von einem Sicherheitsbeamten, der sie einfach in den Arm nahm, abgeführt worden sei, habe sie nicht viel von den Reaktionen der Staats- und Regierungschefs mitbekommen. Auf den Bildern ist zu sehen, dass insbesondere der britische Premier Tony Blair und sein slowakischer Kollege Mikulas Dzurinda feixend den Auftritt beobachteten.

Nur dass Venezuelas Präsident Hugo Chávez, der nie eine Gelegenheit zu einem guten Auftritt auslässt, ihr ein Küsschen zugeworfen habe, das habe sie schon mitbekommen. "Chávez ist sehr sympathisch", meint sie, und fügt gleich hinzu: "Ich weiß nicht viel von Chávez - nur, dass er in Europa nicht so gern gesehen wird. Aber da will ich mich nicht einmischen."

Die Aktion ist von langer Hand von Greenpeace geplant worden. Die Umweltorganisation habe auch die ganzen Reisekosten übernommen, berichtet die Umweltaktivistin im Bikini freimütig. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 13./14.5.2006)