Foto:WSG 2006/Ritter
Neusiedl am See - "Dertret'n", sagt einer, um sich blickend im Strandbad Neusiedl, "tun sie sich nicht g'rad." Und das wundert ihn, immerhin hat er selbst lange überlegt, ob er gerade an diesem Wochenende von Wien herunterfahren soll an den See. Denn dort ist, wie man ja weiß, Segel-Weltmeisterschaft. Segel-Weltmeisterschaft, das ist ein sportliches Großereignis, also fast ein Event. Und bei einem Event ist es normalerweise so: "Da dertret'n sich die Leut."

Nicht so am Neusiedler See, wo sich seit 10. Mai mehr als 800 Segler aus 71 Nationen in zehn Bootsklassen um den Titel eines ISAF-Weltmeisters matchen. Koloman Watzek, Organisationschef der ersten World Sailing Games auf einem Binnensee, zieht deshalb auch Halbzeitbilanz "mit einem lachenden und einem weinenden Auge" und hat, um jetzt das Wort Krisenmanagement zu vermeiden, mit "Sofortmaßnahmen" reagiert. So wurde etwa der Eintrittspreis flugs von elf auf fünf Euro gesenkt, was am Wochenende freilich auch noch nicht wirklich gegriffen hat.

Walter Gisch, der Tourismuschef von Podersdorf, wo die Damen und die Herren ihre Katamarane zu Wasser bringen, nimmt's gleichwohl gelassen. "Veranstaltungen wie diese kann man nicht nur am Besuch messen." Weitaus nachhaltiger sei für die Region nämlich der Marketing-Effekt, und der sei gewaltig. 200 Journalisten aus aller Welt haben sich akkreditiert, der deutsche TV-Distributor beliefert rund 150 Fernsehsender in allen Kontinenten mit Bildmaterial vom Steppensee und seinem touristischen Rundherum.

Rührend Im Vergleich dazu wirken die schon im WM-Vorfeld laut gewordenen Klagen mancher Vermieter über mangelnde Buchungen beinahe so rührend wie die handgeschriebene Werbeaufschrift einer Neusiedler Pension: "Trotz Segel-WM ortsübliche Preise."

Mag sein, glaubt oder hofft Koloman Watzek, dass die Zuschauer das sportliche Großereignis vor der Wiener und der Bratislavaer Haustür erst jetzt entdecken, da die Qualifikationsphase zu Ende ist, und es ans Eingemachte der WM-Titel geht. Der am Freitag und Samstag für die Segler eher ungnädige, weil absente Wind wehte am gestrigen Sonntag steif übern Leithaberg. Die Qualifikation konnte finalisiert werden, der heutige Montag ist demnach Ruhetag, morgen starten die finalen Wettfahrten, bei denen dann auch alle österreichischen Medaillenhoffnungen am Start sein werden. Die Top Ten der Welt sind diesbezüglich ja gesetzt.

Die Doppelolympiasieger Roman Hagara und Hans-Peter Steinacher mussten dennoch ebenso in die Mühle der Qualifikation wie Olympiasieger Christoph Sieber. Hagara/ Steinacher segeln ja sonst auf dem Tornado, nicht auf dem Hobie Tiger, der hier zum Einsatz kommt. Und Christoph Sieber ist vom Surfbrett auf den 49er umgestiegen, auf dem er mit Clemens Kruse eine ebenso gute Figur macht wie Thomas Zajac/Thomas Czajka im Tiger und Sonja Zelinka/Christine Moser im 16er. Zu diesen werden ab Dienstag noch der Athen-Silberne Andreas Geritzer und sein Laser stoßen. Auch die Weltranglisten-Dritten Sylvia Vogl und Carolina Flatscher werden sich mit ihrem 470er wohl ins Medaillengeschehen mengen.

Dass fürs - noch dazu unvollständige - Aufzählen der österreichischen Segler-Weltklasse so viele Zeilen notwendig sind, mag manchen immer noch erstaunen. Aber so ist es eben spätestens seit den Spielen von Sydney im Jahr 2000. Die anderen Segelnationen werden dies wohl spätestens nach dieser WM zur Kenntnis nehmen. Watzek: "Die Sportler sind begeistert. Alles funktioniert klaglos, die Organisation passt, das Wetter auch. Eine chinesische Delegation beobachtet uns, um sich für die Olympischen Spiele Ezzes zu holen. Sportlich sind wir hochzufrieden." Das war jetzt der zweite Teil von Koloman Watzeks Halbzeitbilanz der Segel-WM am Neusiedler See: das lachende Auge. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD Printausgabe 15.05.2006)